– Gastbeitrag von Sascha Kiseier, Stadt Bochum –
Nachdem wir unseren Beitrag „Verwaltung mit Haltung: Gemeinsam Demokratie schützen“ veröffentlicht hatten, meldeten sich Kolleg:innen der Stadt Bochum: Genau mit diesem Motto habe die Stadt Bochum schon vor einigen Monaten eine hausinterne Kampagne gestartet. Ob wir Verwaltungsrebellinnen dazu mehr erfahren wollten? Wollten wir, klar. Nach unserem Austausch dazu stand fest: Von dieser entschiedenen und vielfältigen Kampagne sollten mehr Menschen erfahren. Bochums Vorgehen zeigt beispielhaft, wie Verwaltungen das Thema des vorigen Blog-Beitrags in der Praxis anpacken und umsetzen können. Danke, Sascha Kiseier, für die knackige, anschauliche Zusammenfassung!
Was bedeutet es eigentlich, in einer Verwaltung zu arbeiten – gerade in Zeiten, in denen demokratische Werte unter Druck geraten? Im Arbeitsalltag stehen vielfältige Verwaltungsarbeiten und die Betreuung von Bürgeranliegen sowie eine strukturierte Terminplanung im Mittelpunkt. Doch hinter all dem steckt mehr: Wir sind Teil des Staates, wir gestalten das Zusammenleben in unserer Stadt mit. Und genau deshalb ist es so wichtig, Haltung zu zeigen.
Die Kampagne „Verwaltung mit Haltung – dem Grundgesetz verpflichtet!“ der Stadt Bochum erinnert uns daran, dass Demokratie nicht nur in Parlamenten verteidigt wird – sondern auch in Besprechungsräumen, am Empfangstresen und in der Kommunikation mit Bürger*innen. Sie lädt uns ein, innezuhalten, nachzudenken und gemeinsam aktiv zu werden.
Wie ist die Kampagne entstanden?
Die Kampagne „Verwaltung mit Haltung“ ist das Ergebnis eines längeren, intensiven Prozesses. Sie entstand vor dem Hintergrund zunehmender demokratiefeindlicher Tendenzen in der Gesellschaft. Die Stadtverwaltung reagierte darauf.
Ein zentraler Meilenstein war die sogenannte „Klassenfahrt Demokratie“ – eine Klausur der Führungskräfte aus dem Dezernat IV (Bildung, Integration, Kultur und Sport) der Stadt Bochum im November 2024. Aus dieser intensiven Auseinandersetzung mit demokratischen Werten und vielen weiteren gesamtstädtischen Austauschen entstand ein Verwaltungsvorstandsbeschluss am 4. März 2025, der die Haltung der Stadtverwaltung zum Erhalt der Demokratie stärkt. Ein starkes Zeichen nach innen und außen, das die Haltung der Stadt Bochum verdeutlicht: die Verpflichtung, dem Grundgesetz aktiv nachzugehen, sich damit zu befassen und dies auch aktiv zu unterstützen.
Haltung braucht Raum – und Zeit
Die Stadt Bochum geht mit gutem Beispiel voran: Haltung wird nicht nur eingefordert, sondern aktiv ermöglicht. Führungskräfte greifen das Thema auf und setzen gemeinsam mit den Beschäftigten sogenannte „Demokratie-Impulse“ in ihren Bereichen. Die Verwaltung schafft Räume für Reflexion, Austausch und kreative Auseinandersetzung – fernab vom Alltagsgeschäft.
Die Kommunikation des Beschlusses erfolgte breit: Alle Mitarbeitenden erhielten einen Brief vom Verwaltungsvorstand, zusätzlich wurde mit einem Videoaufruf zum Mitmachen geworben. Ab April 2025 wurde die Umsetzung der Demokratie-Impulse dezentral organisiert – jedes Dezernat übernimmt für ein bis zwei Monate Verantwortung und bringt eigene Ideen ein.
Demokratie-Impulse – Haltung wird sichtbar
Ein inspirierender Impuls kommt zum Beispiel aus dem Amt für Soziales. Dort haben sich Mitarbeitende regelmäßig montags für eine Stunde getroffen, um sich kreativ mit dem Thema „Verwaltung mit Haltung“ auseinanderzusetzen.
Mit Farben, Pastellkreiden, Aquarellfarben und verschiedenen Papierarten wurden eine Pinnwand und ein Plakat gestaltet, die nun dauerhaft in den Räumlichkeiten sichtbar sind.
Zusätzlich entstanden „Mut-Mach-Karten“, die von Kolleg*innen als kleine Ermutigung im Alltag genutzt werden können.
Auch die Personalentwicklung setzt starke Impulse: In Kooperation mit weiteren Bereichen wurden zwei neue Fortbildungsthemen ins Leben gerufen:
- Respekt statt Parolen – Argumente gegen demokratiefeindliche Äußerungen
Ein Argumentations- und Haltungstraining, das zeigt, wie man souverän auf diskriminierende Aussagen reagieren kann. Mit Kommunikationsgrundlagen, Übungen und Strategien zur Entwicklung eines klaren Standpunkts. - Leben in Vielfalt – Demokratie gestalten
Ein Workshop, der demokratische Entscheidungsprozesse erfahrbar macht. Mit interaktiven Übungen zur Konfliktlösung und dem Modell der „Vier Schritte demokratischer Entscheidungsfindung“.
Ein weiterer Impuls kommt aus dem Dezernat für Bauen, Umwelt, Mobilität und Nachhaltigkeit:
Hier wurde die Idee entwickelt, die alltägliche Arbeit mit dem Raum Bochum durch bewusstes Innehalten an Bochumer Erinnerungsorten zu ergänzen. Diese Orte stehen für positive wie auch dunkle Kapitel der Stadtgeschichte und laden zur Reflexion ein.
- Eine wöchentliche Leitungssitzung fand zum Beispiel direkt am Mahnmal für das Außenlager des KZ Buchenwald statt – unterstützt durch das Stadtarchiv Bochum.
- In Kooperation mit der Initiative Nordbahnhof Bochum e.V. wurden außerdem sechs Führungen am Gedenkort Nordbahnhof angebotenen – einem Ort, der an die Deportation jüdischer Mitbürger*innen erinnert.
Die Kampagne in Bochum zielt nicht nur nach innen, in die Verwaltung hinein, sondern auch nach außen, in die Bürgerschaft: Auf dieser Website sind zahlreiche Informationen zu Veranstaltungen, laufenden Projekten, Kampagnen und Erinnerungsorten zum Thema Demokratie in Bochum zusammengezogen.
Die Kampagne „Verwaltung mit Haltung“ zeigt eindrucksvoll, wie eine Stadtverwaltung demokratische Werte nicht nur verteidigt, sondern aktiv lebt. Sie schafft Raum für Haltung, fördert kreative Impulse und macht Demokratie im Arbeitsalltag sichtbar. Ein starkes Zeichen – gerade in Zeiten, in denen demokratische Prinzipien unter Druck geraten.
Unser Gastautor Sascha Kiseier ist Referent für strategische Veränderungsprojekte und Führungsentwicklung im Referat des Oberbürgermeisters für gesamtstädtische Angelegenheiten der Stadt Bochum.
Das Titelbild des Beitrags zeigt einen Screenshot aus einer gemeinsamen Video-Aktion von Mitarbeiter:innen der Stadt Bochum.
Eingestreut in den Beitrag sind Postkarten der Stadt Bochum zu den ersten Artikeln des Grundgesetzes.





