So ein Kanban Board ist eine feine Sache, wenn man Aufgaben und Arbeitsfluss visualisieren möchte[1] – ob für’s Team oder als „Personal Kanban“ für sich allein. Trotzdem zögerte ich im letzten Jahr lange, mir eine entsprechende Wandtafel zu montieren. Will ich wirklich immer „angeschaut“ werden von all meinen Aufgaben? Auch gegen Abend, wenn ich in meinem Arbeitszimmer einfach nur noch in Ruhe Fachzeitschriften lesen und meinen Gedanken nachhängen möchte? Und wo gehört das Board eher hin: In mein Büro oder in mein Arbeitszimmer zuhause? Will ich auch im Büro, dass alle Besucher*innen gleich alle meine Aufgaben interessiert mitverfolgen können? Wie habe ich in Besprechungen meine Aufgabenpakete vor Augen, wenn’s an die Verteilung von To Do’s geht? Da kann ich ja schlecht mit dem Whiteboard unter dem Arm aufkreuzen. Ein Foto zum Mitnehmen – klar, das geht. Alles gleich in ein elektronisches Kanban Board eintragen, das geht selbstverständlich auch. Aber mir fehlt dann etwas: Das Hantieren, Durchstreichen, Zerreißen … Das Haptische eben. Und dass es mir immer im Blick ist. Irgendwann schoss mir dann in Erinnerung an den lang zurückliegenden Kunst-Unterricht die rettende Idee für mein Dilemma durch den Kopf: der Isenheimer Altar!
Von der ganz großen „Altar-Lösung“[2] – einer wandfüllenden auf- und zuklappbaren Tafel – sah ich dann aber doch ab und setzte auf die kleinere Lösung: Ein „Kanban to go“, ein Leporello im DIN A 4-Format.
Die Bastelanleitung:
4 – 6 feste Kartons im Format DIN A 4, jeweils mit einer Ringbindung verbinden lassen.
Tipp: Ich hatte mir einen wunderschönen, sehr dicken, leicht rauen Karton aus einer französischen Papeterie ausgewählt – auf dem aber leider die Klebezettel überhaupt nicht haften blieben. Notlösung: drei Streifen durchsichtiges Paketklebeband auf jeder Seite, darauf halten die Post-Its – gerettet! Kolleg*innen, die das Board nachgebaut haben, haben den Karton sofort laminiert und erst dann die Ringbindung anbringen lassen; damit geht’s prima.
Von hinten nach vorn werden die Innenseiten beschriftet – so ergibt sich der Arbeitsprozess:
- Die „Ewigen-Liste“: Was ich irgendwann mal machen will, was erst mal nur so eine Idee ist → nur Ideen-Notizen
- „Später erledigen“: Aufgaben, die in den nächsten Monaten zu bearbeiten sind → Aufgabentickets jeweils mit Termin(-fenster).
- „Alsbald zu tun“: Was in den nächsten 1 – 2 Wochen auf Bearbeitung wartet.
- „Heute in Bearbeitung“: Mein Tagesprogramm
Die allerletzte Seite ist bei mir ein Sammelbecken für Literatur- & Link-Tipps.
Klar: Wie die Kategorien heißen, wie viele es gibt, das kann natürlich auch noch mal anders und präziser festgelegt werden als ich es getan habe.
Das Board im praktischen Gebrauch
Zum Start meines Arbeitstages klappe ich mein „Kanban to go“ auf und ziehe mir die Aufgaben für heute auf die linke Seite, wenn ich das nicht schon zum Abschluss des vorhergehenden Arbeitstages getan habe. Danach liegt es meist zusammengeklappt auf dem Schreibtisch – mit der Seite „Heute in Bearbeitung“ ganz oben.
Manche Aufgabentickets wandern von ganz hinten Seite für Seite nach vorn, andere steigen gleich auf den vorderen Seiten ein. Aufgaben im hinteren, langfristigen Bereich sind oft noch sehr allgemein – manchmal wird eine solche „Vormerkung“ beim Konkretisieren aufgespalten in 2 oder 3 konkretere Aufgabentickets.
Für die Aufgaben genügen Post-Its im Miniformat 51 x 37 mm, das reicht allemal für die Aufgabenbeschreibung, einen Termin und ggf. noch bunte Markierungen. Wie immer: verschiedenfarbige Post-Its für unterschiedliche Aufgabentypen oder Projekte helfen bei der schnellen Orientierung. Ein Vorrat steht griffbereit auf meinem Schreibtisch, damit Ideen, die mir durch den Kopf schießen, sofort aufgeschrieben und ins Leporello geklebt werden können.
Für manche Merker (z.B. „Rechnung schreiben“ oder „Feedback zu Aufgaben“ im Rahmen einer Qualifizierungsreihe) verwende ich keine einzelnen Post-Its, sondern schreibe die als Liste auf einen Post-It-Streifen (s. Foto: unterer Teil auf der linken Seite). Und wenn der Streifen vollgeschrieben und alles komplett durchgestrichen ist, gibt’s eine neue Liste. (Ja, Klebezettel gibt’s auch als fortlaufende Rolle).
Dass dadurch die Seite „Heute in Bearbeitung“ deutlich verkleinert wird, ist durchaus Absicht: Der verbleibende Platz ist sowieso mehr als genug für das, was man selbst an einem ganzen Schreibtisch-Tag so schafft.
Ich weiß von einigen, die inzwischen ein solches „Kanban to go“ für sich so oder ähnlich nachgebaut haben und nutzen, so auch ein Fachbereichsleiter in einem sozialen Unternehmen mit vielen dezentralen Einheiten: „Ich bin viel unterwegs und besuche meine Teams. Wenn sich in Besprechungen vor Ort Verabredungen und To Dos für mich ergeben, klappe ich einfach nicht gern meinen Laptop auf, um den entsprechenden Eintrag vorzunehmen, das stört das Gespräch, finde ich. Den Merker schnell auf einem kleinen Post-It festzuhalten, ist viel unaufwändiger. Klar, ich könnte die To Dos auch erst mal in ein Notizbuch schreiben, aber das ist ein Schritt zusätzlich, wenn ich die dann später übertragen muss – und manchmal gehen die dann in den vielen Notizen unter. So sind die Aufgaben gleich in einem Schritt da, wo sie hingehören. Und wenn ich zwischen zwei Außenterminen gar nicht in mein Büro zurückkehre, kann ich die Zeit nutzen, einiges abzuarbeiten. Meine „Reisemappe“ kennen inzwischen alle, manchmal wird auch über meine bunte Zettelwirtschaft gewitzelt – aber letztlich sind alle froh, dass ich die Verabredungen immer gut im Blick habe.“
Mein Fazit
Ganz klar: Das hier vorgestellte „Kanban to go“ ist kein wirkliches Kanban Board mit all dem Regelwerk, das den Arbeitsfluss in einem Team klug steuern hilft (dazu demnächst mehr in einem anderen Blogbeitag zum „Kanban Board im Team“), sondern nur eine schlichte Aufgabenverwaltung, die beim „bloß nix vergessen!“ hilft. Aber das leistet sie für mich eben sehr effektiv – das merke ich immer wieder, wenn ich meinen morgendlichen „Solo-Scrum“[3] zelebriere und mir von Zeit zu Zeit, gern zum Ende einer Woche, das gesamte Leporello auffalte, um mir Aufgaben ins aktuelle Blickfenster zu rücken. Beim Wechsel vom Büro an den heimischen Schreibtisch und zurück erweist sich das Leporello dank des taschenfreundlichen Formats tatsächlich als unkompliziertes „Kanban to go“. Und das Zuklappen nach getaner Tages-Tat ist ein äußerst zufriedenstellender letzter Handgriff!
Der nette Effekt aus Verwaltungsrebellen-Sicht: Mit dem „Kanban-Board to go“ unter dem Arm machen Sie ganz nebenbei neugierig auf agile Arbeitsweisen – eine subversive, aber effektive Möglichkeit, darüber mit anderen ins Gespräch zu kommen. 🙂
[1] mehr zur Methode z.B. hier: https://agile-verwaltung.org/2016/03/31/agile-teamorganisation-mit-personal-kanban-ein-ueberblick/
[2] Wer mehr zum Isenheimer Altar wissen will: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Isenheimer_Altar&oldid=186322289 (Zugriff: 27. April 2019)
[3] Wer über den Begriff stolpert, ersetzt „Solo“ durch Daily“ und findet hier die Auflösung https://t2informatik.de/wissen-kompakt/daily-scrum/
Coole Idee, werde ich nachbauen.
Super: Praktisch, kreativ, haptisch, und online einsetzbar
Super Idee! Ich habe das gleiche Problem; Bin beruflich viel unterwegs, Elektrisch mitschreiben dauert einfach zu lange und Tafeln sind natürlich unpraktisch. Hab ich mir heute gleich nachgebaut. Vielen Dank dafür! 💓