Fragt man im Bekanntenkreis danach, wie die örtliche Verwaltung eingeschätzt wird, erntet man schnell Stöhnen. Denn besonders gern bleiben negative Erfahrungen in Erinnerung: wie lange es dauert, bis man mit der richtigen Stelle verbunden wird, wie ewig man auf einen Ausweis warten muss, wie kurz angebunden man wieder weggeschickt wurde, nur weil man ein bestimmtes Formulare noch nicht ausgefüllt hatte, von dessen Existenz man vorher nichts ahnte. Und erst, wenn man hartnäckig weiterfragt, kommt auch die andere Seite zutage:
Wie erfrischend unkompliziert die Planung der Hochzeit war – und wie die Standesbeamtin nebenbei noch manchen wertvollen Hinweis gegeben hat. Wie freundlich und schnell die Mitarbeitenden im Bürgerbüro den Ansturm wegen der Pässe vor den Sommerferien bewältigt haben – und wie man überraschend schnell per SMS benachrichtigt wurde, dass der Pass zum Abholen bereitliegt. Wie eine Verwaltungsmitarbeiterin sich eines Anliegens angenommen hat – und zwei Stunden nach dem Termin in der Verwaltung bereits zurückrief, dass und wie alles geregelt sei.
Diese Erlebnisse rufen Überraschung und Verwunderung hervor, weil sie dem hartnäckigen Vorurteil zuwider laufen, dass Verwaltung träge, „formvollendet“ und unflexibel sei. Aber eigentlich wird es immer üblicher, dass Verwaltungsmitarbeitende sich als Dienstleister für die BürgerInnen verstehen, flexibel sein wollen und Spaß daran haben, wenn sie unkonventionelle, aber funktionierende Lösungen gefunden haben.
So haben viele Verwaltungen die Unterbringung der zahlreichen Flüchtlinge 2015/2016 zwar zum einen als enorme Anstrengung und Belastung erlebt, zum anderen aber waren viele Mitarbeitende zu Recht sehr stolz darauf, dass es ihnen immer wieder gelang, das zu tun, was in der konkreten Situation vernünftig war, kreativ, ideenreich und hartnäckig, immer mit dem Ziel vor den Augen: Die Flüchtlinge brauchen ein Dach über dem Kopf, ein Bett und etwas zu essen. Und das kriegen wir hin. Und die politische Bewertung der Gesamtsituation gehört an eine andere Stelle.
Genauso wollen viele Verwaltungsmitarbeitende auch außerhalb einer Krise arbeiten: Flexibel, eigenverantwortlich, im Team, mit gesundem Menschenverstand und Augenmaß, natürlich gesetzeskonform und fair, aber eben nicht ausbremsend, sondern fördernd, nach vorn denkend. Und das ist im Kern „agiles Arbeiten“: „Wie kriegen wir das hin?“ statt „Oh je – was ist da alles problematisch dran?“
Dazu gehört, dass unkompliziert quer durch die Verwaltung sich die Mitarbeitenden zusammentun, die es für eine bestimmte Problemlösung braucht. Ohne die Hierarchie fragen zu müssen, ob sie das dürfen.
Die Verwaltungsmitarbeitenden, die so arbeiten wollen, identifizieren sich mit ihrer Aufgabe; sie wollen das Gemeinwesen stärken und gestalten. Agile Arbeitsmethoden geben hier Impulse und einen Rahmen, um unkompliziert und vorwärtstreibend zu arbeiten.
Es werden – glücklicherweise – immer mehr engagierte Mitarbeitende, die diese Methoden aktiv nutzen und Spaß daran haben, schwierige Fragen des Zusammenlebens in der Stadt und in der Region zu lösen!
Diese wünschenswerte Arbeitsweise ist leider in einem kleineren Teil der Kommunalverwaltungen üblich. Die meisten kommunalen Verwaltungen ruhen auf ihrem Ruhepolster „Kommunale Selbständigkeit-der Subsidiarität“ – das sehr hohe Verfassungsgut – und sie werden von Jahr zu Jahr selbstherrlicher. Sie arbeiten wenig vernetzt, sind im digitalen Rückstand, verharren in einer veralteten Arbeitsorganisation trotz mancher Verwaltungsreform-Kampagne in Deutschland (z.B. Neues Steuerungsmodell…). Sie wissen, dass sie nicht ohne weiteres pleite gehen wie das private Dienstleistungsunternehmen, wenn es nicht die marktüblichen Qualitäten und Termine ihrer Produkte sichert.
Deshalb plädieren wir für die Einführung eines kommunalen TüVs.
Ich beziehe mich für die Begründung meiner weiteren Ausführungen auf das Grundgesetz-Ziel der
“ Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse in allen Regionen Deutschlands“
Im Artikel 72 GG, der heute die „Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse“ zu einem Politikziel erklärt, begründet auch einen Eingriff in Landesrecht durch die Bundesregierung.
Das Neue bei dieser Bekräftigung dieses Grundgesetz-Ziels ist, dass die Bundesregierung den Begriff „Mindeststandard“ einführt.
Die Qualität der Lebensverhältnisse in einer urbanen Region Deutschlands sind sehr wesentlich von der Qualität des kommunalen Managements abhängig. Denn vor Ort, in den kommunalen Hoheitsgebieten, sind die Lebensqualitäten zu realisieren, sind diese durch die dort ansässigen Bürger zu spüren.
Werden Lebensqualitäten beschrieben, Lebensverhältnisse zitiert, dann schreiben/lesen die meisten über Transport- und Verkehrssystem, über Schule, Seniorenbetreuung, Gesundheitsversorgung, Integration von Flüchtlingen, Versorgung mit Lebensmitteln und Dienstleistungen u.v.a.m.
Dabei wird die Qualität des Managements, das diese Lebensverhältnisse vor Ort zu verantworten hat, nämlich das kommunale Management entweder gar nicht oder nur am Rande erwähnt.
Obwohl es zur Qualifizierung des kommunalen Managements seit Jahren Reformbestrebungen gegeben hat (mit Doppik, Budgetierung, Vergleichsringen zwischen den Gemeinden, eGovernment-Programmen …), beweist die kommunale Praxis in ganz Deutschland riesengroße Niveauunterschiede im Managementniveau der Gemeinden. Die meisten Gemeinden fassen sich eben nicht als bürgernahes Dienstleistungsunternehmen auf, sondern behandeln ihren Kunden, die Bürger, immer noch zu oft als Bittsteller, als Leute, die vor einer Beamtenschranke artig zu warten haben, obwohl viele Leistungen digitalisiert von zu Hause aus erledigt werden könnten oder obwohl es angebracht wäre, die Bürger an der Vorbereitung von Verwaltungsentscheidungen zu beteiligen („Bürgerbeteiligung“!).
Es fehlt eine Bewertung des kommunalen Managements bzgl. seiner Innovationsziele und seiner Effizienz im laufenden Betrieb des „Dienstleistungsbetriebes Stadt-/Gemeindeverwaltung“.
Die Subsidiarität ist ein hohes Gut des Grundgesetzes Deutschlands. Es räumt den kommunalen Verwaltungen große Selbständigkeit ein. Jedoch mutiert diese Selbständigkeit in der Mehrheit der kommunalen Verwaltungen zur Selbstgefälligkeit. Es fehlt ein wirksamer Wettbewerb. Städtevergleiche, die auch die KGSt und die Bertelsmann-Stiftung begleitete, sind sehr nützlich, jedoch nicht wirksam genug. Im Zeitalter der Digitalisierung sind die technischen Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung der Verwaltungsprozesse enorm gestiegen. Die Zeit ist reif dafür, einen kommunalen TÜV einzuführen bei voller Bewahrung der subsidiären Souveränität der kommunalen Verwaltung.
Kriterien für die Bewertung der Effizienz des kommunalen Managements gibt es genug. Die Bewertung muss jedoch umgesetzt werden. Aller drei Jahre sollten sich kommunale Verwaltungen einer Zertifizierung unter Anwendung der ISO Norm 9001 unterziehen.
Der Kanon der Bewertungskriterien für die Effizienz eines kommunalen Managements ist in der Qualität eines „Mindeststandards“ zu entwickeln.
Vom Ergebnis der erreichten Zielwerte der Effizienz der Verwaltungsdienstleistungen ist die finanzielle Zuführung zum kommunalen Haushalt und Gehaltstufen der Bürgermeister abhängig zu machen.
Überwachungen durch Rechnungsprüfungsinstanzen sind viel zu schwach. Die Kommune kann sich dadurch „belohnen“, indem sie zum Erreichen einer schwarzen Null viele Aufgaben nachlässig realisiert oder sogar unterlässt. Bevorzugt werden dann vor allem die Freiwilligkeitsleistungen zurückgefahren, die i.d.R. die Lebensqualität der Einwohner maßgeblich bestimmen.
Sehr geehrte Damen und Herren der „Verwaltungsrebellen“, werden Sie ihrem Namen noch gerechter und entfachen sie eine Diskussion für ein „Gesetz zur Durchführung der „Überwachung der Effizienz kommunaler Verwaltungsdienstleister“ (EKV) – der kommunale TÜV! Diskutieren Sie mit uns die Kriterien zur Bewertung des Innovationsniveaus des kommunalen Managements und machen diese kommunalen TÜV gesetzeswirksam!
Mit freundlichem Gruß!
Bernhard Malsch
Da wir Verwaltungsrebellen am Ende direkt angesprochen wurden:
Wir teilen weder die Darstellung der Situation mit ihrer pauschalen Abwertung des Verwaltungsmanagements noch den skizzierten und aus unserer Sicht absurden Vorschlag, Veränderung herbeibestrafen zu wollen.
Ansatz der Verwaltungsrebellen ist die Unterstützung von positiven Entwicklungen in der Verwaltung – nachzulesen im Manifest.
Mit freundlichem Gruß,
Dorothea Herrmann