Mediengestützte Zusammenarbeit in der Verwaltung – Teil 2: Warum die technische Lösung allein noch nicht die Lösung ist

Im ersten Teil der Blog-Reihe haben wir uns damit befasst, wie Verwaltungen aus einem Dschungel an Möglichkeiten passende Medien und Tools für die Zusammenarbeit auswählen können. Dass Sie damit noch nicht „fertig“ sind und dass Zusammenarbeit auf Distanz damit nicht automatisch gut funktioniert, deutet der Titel an und so haben Sie es vielleicht bereits selbst erlebt. Wir arbeiten seit vielen Jahren rämlich verteilt und mediengestützt zusammen und haben dabei immer wieder die Erfahrung gemacht, dass Medien, richtig eingesetzt, die Zusammenarbeit sehr erleichtern, beflügeln und zum Teil überhaupt erst ermöglichen können. Damit dieser Mehrwert eintritt, braucht es aber mehr als ein passendes Tool-Set. Aus verschiedenen Gründen:

  • „A fool with a tool is still a fool” oder netter ausgedrückt: Die Art, wie Sie Tools nutzen, entscheidet darüber, wie gut diese Ihre (Zusammen-)Arbeit auf Distanz unterstützen. Rund um die Nutzung von Chats / Foren, Telefon- und Videokonferenzen, Dateiablage, Aufgabenboards etc. braucht es Vereinbarungen, zu denen Sie in diesem Beitrag zahlreiche Tipps und Leitfragen finden.
  • Um den Arbeitsalltag in verteilten Teams zu meistern, braucht es darüber hinaus auch Vereinbarungen zum „Drumherum“: zu Erreichbarkeit und Verlässlichkeit, zur gemeinsamen Arbeit an Inhalten und zur Arbeitskultur und zum Umgang miteinander. Auch hierzu finden Sie weiter unten zahlreiche Anregungen.

Die Tipps und Leitfragen in diesem Beitrag können Sie wie Checklisten abklappern, um die eine oder andere Tücke der verteilten Zusammenarbeit zu entdecken und dann zu umschiffen. Sie sind sicherlich nicht vollständig, aber ein guter Anfang.[1]

Im gemeinsamen Arbeitsalltag vor Ort steuern Sie Ihre Kooperation meist beiläufig nach, in vielen kleinen Alltagsbegegnungen – weil Sie gegenseitig mitkriegen, wo eine Absprache vielleicht missverständlich war oder dass eine Arbeitsaufteilung besser noch angepasst werden sollte. In der räumlichen Distanz brauchen Sie eher noch klarere Absprachen, die dann auch über die Phasen des arbeitsteiligen Arbeitens und Sich-nicht-Sehens hinweg tragen. Verfallen Sie dennoch nicht der Dynamik, alle Eventualitäten zu regeln und unnötig bürokratisch zu werden – bereits wenige klare Rahmenbedingungen reduzieren wirksam organisatorisches Durcheinander und potenzielle Konfliktherde.

Sie werden bei den folgenden Hinweisen und Leitfragen feststellen, dass auch scheinbar sachliche Absprachen eine psychosoziale Dimension haben: Neben Regeln zur Handhabung und Nutzung von Informationen und zur Gestaltung von Arbeitsabläufen geht es auch darum, sich hinsichtlich Arbeitsgepflogenheiten anzupassen, die Teamkultur zu entwickeln, Bedürfnisse nach Nähe und Distanz auszugleichen, Verlässlichkeit zu sichern und eine Arbeitsbeziehung aufzubauen, die auch in schwierigen und stressigen Zeiten tragfähig ist.

Die Vereinbarung von Regelungen und Strukturen ist das eine. Ihre Einhaltung – auch entgegen persönlicher Vorlieben und Gewohnheiten – das andere. Hier ist nicht nur die Führungskraft, sondern das Team aufgefordert, sich gegenseitig in die Pflicht zu nehmen und freundlich einzufangen. Auf der anderen Seite gilt aber auch: Einmal getroffene Vereinbarungen sind nicht in Stein gemeißelt und bedürfen einer fortwährenden Weiterentwicklung im Verlauf der Zusammenarbeit.

In diesem Beitrag sammeln wir Leitfragen und Tipps zu Vereinbarungen rund um:

Vereinbarungen zu Erreichbarkeit und Verlässlichkeit

Spätestens dann, wenn Sie oder Ihre Kolleg*innen in der aktuellen Krise Arbeit und Kinderbetreuung unter einen Hut bekommen müssen, wird die Arbeit im Homeoffice auch mit einer flexibleren Arbeitszeitgestaltung verbunden sein. Auch wenn vieles asynchron bearbeitet werden kann, wird es im Arbeitsalltag doch immer wieder notwendig, sich direkt miteinander auszutauschen und dafür verlässlich erreichbar zu sein – für Kolleg*innen, aber auch für Bürger*innen oder andere Personengruppen.

In diesem Zusammenhang können Vereinbarungen zu den folgenden Fragen hilfreich sein:

  • Was sind generelle Arbeitszeiten der Teammitglieder? In welchen Zeitfenstern sind wir telefonisch erreichbar – wann notfalls für kurze Absprachen, wann für ungestörte längere Gespräche? Sind wir bereit, diese Telefonzeiten notfalls auch auf Zeiten außerhalb der regulären Kernarbeitszeit zu verschieben (z.B. weil Kolleg*innen tagsüber parallel Kinder betreuen müssen)?
  • Wie viel Transparenz über unseren aktuellen Aufenthaltsort und unsere Erreichbarkeit benötigen wir und möchten wir preisgeben (z. B. Erreichbarkeitsstatus im Instant Messenger nutzen, gegenseitig die Kalender freigeben und hier z.B. auch Kinderbetreuungszeiten eintragen)?
  • Wie möchten wir mit Abwesenheiten umgehen? Ab welcher Abwesenheitsdauer soll diese für das Team transparent gemacht werden (z. B. durch Vermerk im Gruppenkalender)?
  • Wie regeln wir die Holschuld von Informationen? Wie oft sollen E-Mails, Chat-Nachrichten oder der Anrufbeantworter abgerufen werden? o. ä.?
  • Wie regeln wir die Bringschuld von Informationen? Wie schnell sollten E-Mails, Nachrichten oder Anrufe in Abwesenheit beantwortet werden?

Hinweis: Gerade bei der Aushandlung von Regeln zur Erreichbarkeit stehen die Themen Transparenz und Privatsphäre mit im Raum und sollten offen thematisiert werden. Wer sich hier fremdbestimmt oder einem gewissen sozialen Druck ausgesetzt fühlt, findet Umwege um die Regelungen (z. B. Manipulation von Kalendereinträgen), worunter die Koordination und auch das Vertrauen leiden können.

Vereinbarungen zur Nutzung bestimmter Medien

Im Folgenden haben wir Fragen zusammengestellt, die nach unserer Erfahrung früher oder später bei der Nutzung verschiedener Medien auftauchen und bei denen es sich bewährt hat, sie möglichst frühzeitig zu klären. Diese gelten oft ganz grundsätzlich für die einzelnen Medientypen und unabhängig vom konkreten Tool (anders formuliert: sollten Sie das Tool wechseln, müssen Sie die Vereinbarungen i.d.R. nicht neu treffen).

Instant Messaging / Chats / Foren

Gruppen-Chats oder auch Foren dienen als kurzer schneller Draht zwischen den Teammitgliedern. Da sich hier noch schneller als per E-Mail mal eben eine Nachricht absetzen lässt, besteht die Gefahr, von Nachrichten überflutet zu werden, den Überblick zu verlieren und wichtige Infos nicht mehr wiederzufinden. Auch wenn sich das nie ganz vermeiden lässt, lohnt es sich, einige Punkte zu klären, um das Chaos ein wenig einzudämmen:

  • Wie strukturieren wir Beiträge, damit wir in der Flut von Einzelmeldungen nicht den Überblick verlieren?
    • Wann lohnt es sich, eine neue Gruppe / einen neuen Kanal anzufangen, damit Beiträge zu einem Thema beisammen sind? Darf jede*r neue Gruppen / Kanäle gründen, um Selbstorganisation zu fördern? Oder wollen wir das zentral steuern oder uns zumindest im Team dazu abstimmen, um den Wildwuchs etwas einzudämmen?
    • Gibt es die Möglichkeit, Beiträge zu Threads zu bündeln? Dann müssen die Beteiligten darauf achten, auch wirklich auf den Thread zu antworten und nicht bei jeder Antwort ein neues Thema aufzumachen – das braucht anfangs etwas Übung und gegenseitiges Aufmerksammachen.
    • Sollen neue Threads einen Betreff / eine Überschrift haben und soll diese ggf. eine bestimmte Struktur haben, damit wir schneller sehen, worum es geht (z.B. [Projekt]: [Thema] oder [Thema]: [Teilaspekt])?

Die Möglichkeiten hängen sehr vom Funktionsumfang des genutzten Tools ab. Manchmal gibt es hier auch Funktionen, die nicht auf den ersten Blick entdeckt werden. So ist es etwa in Microsoft Teams unter „Beiträge“ möglich, in den Bearbeitungsmodus zu wechseln und hier einen Betreff zu vergeben, der das Wiederfinden von Beiträgen oder Diskussionssträngen deutlich erleichtert:

  • Können wir davon ausgehen, dass alle standardmäßig die Benachrichtigungen zu allen Chats / Kanälen / Threads abonniert haben? Oder müssen wir z.B. eine „@-Adressierung“ nutzen, wenn wir sichergehen wollen, dass die entsprechenden Personen die Nachrichten auch sofort erhalten? Andererseits: Wollen wir überhaupt sofort über neue Beiträge benachrichtigt werden? Oder reicht eine Tageszusammenfassung (und eine entsprechend verzögerte Antwort)?
  • Wenn wir in Nachrichten auf Dateien verweisen – hängen wir diese dann direkt an die Nachricht an? Oder setzen wir einen Link zu der strukturierten Dateiablage, in der die Datei abliegt?

Besprechungen auf Distanz

Mediengestützte Besprechungen gehören häufig zum Alltag verteilt arbeitender Teams. Diese können durchaus routiniert und produktiv ablaufen, sobald sich die Beteiligten an die soziale Situation, die reduzierte Wahrnehmung und die Handhabung der Technik gewöhnt haben. Folgende Fragen treten dabei häufig auf und lohnt es sich zu klären:

Telefonkonferenzen

  • Gibt es für jede Besprechung eine*n Moderator*in? Oder nur ab einer bestimmten Teilnehmerzahl (unsere Empfehlung: ab drei Personen)? Wer moderiert? Immer die Person, die die Einladung verschickt hat? Immer die Führungskraft? Rotierend im Team?
  • Wie handhaben wir die Vor- und Nachbereitung von Telefonkonferenzen (z.B. Moderator*in verschickt vorab Agenda und zeitliche Planung, Protokollführer*in hält wichtige Punkte schriftlich fest)? Genauso wie für unsere Präsenzbesprechungen oder gelten hier andere Vereinbarungen?
  • Wollen wir Rituale nutzen, die jede Besprechung rahmen? z.B. Check-in zu Beginn (jede*r berichtet kurz, was ihn/sie umtreibt) und Blitzlicht zum Abschluss (je Teilnehmer*in kurzes Feedback zur Besprechung)
  • Wie kompensieren wir die fehlende Sichtbarkeit der Beteiligten? z. B. wenn man eine Person anspricht, immer auch den Namen nennen, statt nur „du“ zu sagen.
  • Wann reicht uns eine Telefonkonferenz (z. B. wenn sich die Beteiligten kennen und nur einen zeitlich begrenzten Austausch brauchen)? Und wann – sofern technisch möglich – nutzen wir lieber auf eine Videokonferenz (z. B. in Gruppen, die sich derzeit oder generell nicht so oft sehen, wenn wir eine längere Aufmerksamkeitsspanne brauchen, gemeinsam an Inhalten arbeiten möchten, …)?

Und darüber hinaus in Video-/Webkonferenzen

  • Lassen wir die Mikros standardmäßig eingeschaltet oder schalten wir sie zunächst aus – und nur ein, wenn wir etwas sagen möchten? (unsere Erfahrung: in kleinen Gruppen passt gut „immer an“)
  • Schalten wir das Video standardmäßig ein – oder starten wir zunächst ohne Video und klären zu Beginn jeder Besprechung kurz ab, ob wir es einschalten / benötigen?
  • Wie stellen wir Fragen und geben wir Anmerkungen – per Chat oder im Gespräch?
  • Wie signalisieren wir Redebeiträge? Reden wir einfach drauflos oder erst, wenn der / die Moderator*in uns auffordert? Wie regeln wir die Reihenfolge der Wortbeiträge? Einige Tools bieten hierzu die Möglichkeit, ein virtuelles Handzeichen zu geben (inkl. Kennzeichnung der Reihenfolge). Falls es diese Funktion nicht gibt, können andere Signale vereinbart werden (z.B. das Kennzeichen für ein eingeschaltetes Mikro in der Teilnehmerübersicht signalisiert, dass die Person etwas sagen möchte). Oder nutzen wir ein einfaches, gut sichtbares Signal: Farbigen Marker kurz vor die Kamera halten.
  • (Wie) Informieren wir über eine kurzzeitige Abwesenheit (z.B. durch kurze Meldung „afk“ (away from keyboard) im Chat)?
  • Darf jede*r jederzeit den eigenen Bildschirm teilen – oder nur, wenn der/ die Moderator*in den Ball übergibt?
  • Welche weiteren Medien wollen wir in Besprechungen greifbar haben und bei Bedarf nutzen? z.B. ein virtuelles Whiteboard oder Dokumente, die gemeinsam online bearbeitet werden können

Aufgabenboards

Ein Aufgaben-Board bzw. Kanban-Board ermöglicht es, To-dos zu sammeln, zu strukturieren (kategorisieren, priorisieren), einer Person zuzuweisen und nachzuverfolgen. Als Teammitglied behalten Sie den Überblick über Ihre Aufgaben und es ist einsehbar, wer für welche Aufgaben verantwortlich ist. Folgende Leitfragen sind hilfreich:

  • Nutzen wir ein übergreifendes Board für alle und alles? Oder ein Board je Projekt oder Aufgabenbereich?
  • Nutzen wir solch ein Board auch für unsere Routine-Aufgaben? Oder nur für besondere Aufgaben?
  • Können alle alle Boards einsehen – oder nur die von den Bereichen, an denen sie aktiv beteiligt sind?
  • Wie strukturieren wir unser Board? Welche zentralen Bearbeitungsschritte wollen wir abbilden (Spalten)? Sollen alle Boards nach einer einheitlichen Struktur aufgebaut oder individuell gestaltet werden?
  • Wollen wir unterschiedliche Kategorien / Labels / Farbkennzeichnungen nutzen? Wenn ja, welche?
  • Wann schauen wir (gemeinsam) auf das Kanban-Board? z.B. in täglichen kurzen „Daily Standups“ oder 1x wöchentlich im „Weekly“?
  • Wie und wann wandern die Aufgaben durch die Spalten? Jederzeit (also: Jeder rückt Aufgabentickets vor, sobald sie erledigt sind) oder nur in gemeinsamen Besprechungen, damit der Arbeitsfortschritt nachvollziehbar ist?
  • Darf jede*r anderen Teammitgliedern Aufgaben zuweisen? Darf jede*r sich ungefragt neue Aufgaben ziehen oder stimmen wir die Aufgabenverteilung vorher ab?

Dateiablage

Wildwachsende Ordnerdschungel, in denen schon viele Dateien auf Nimmerwiederfinden verschollen sind, kryptische Dateinamen, die selbst der Ersteller nicht mehr versteht, „kreative“ Dokumentgestaltung, die aus dem Rahmen fällt: Die Dateiablage eines Teams ähnelt nicht selten einem WG-Haushalt – jedes Mitglied zieht mit eigenen Ideen von Ordnung und Gestaltung ein und spätestens wenn jemand unter Bergen von Geschirr und Krempel seine Lieblingskaffeetasse nicht mehr findet, wird der Ruf nach klaren Regeln und einem gewissen „System“ laut.

In der räumlichen Verteilung wird eine ggf. nicht gut strukturierte Dateiablage sehr schmerzlich bewusst, weil ich eben nicht meine Zimmernachbarin mal eben fragen kann: „Du, wo ist eigentlich … abgelegt?“. Spätestens jetzt wäre also eine gute Gelegenheit, hier einige Vereinbarungen zu treffen. Das gilt umso mehr, wenn Sie gemeinsam mit anderen auf eine Online-Dateiablage ausweichen müssen – als neu zusammengewürfeltes Projektteam oder weil Sie aus dem Homeoffice nicht auf Ihre Daten im Büro zugreifen können ().

Am besten machen Sie sich als Team Gedanken über solche Fragen:

  • Was ist eine sinnvolle Ordnerstruktur? Gibt es hierzu bereits Konventionen / Vorgaben (z. B. Aktenplan, Nummernkreise, „alte Dokumentversionen werden jeweils in einem Unterordner ‚_alt‘ abgelegt“)?
  • Welche Regeln für die Benennung von Dateien sind sinnvoll (z. B. „Dateinamen sollten immer mit dem Datum in der Form YYYYMMTT beginnen“, „Dateinamen sollten auch außerhalb der Ordnerstruktur aussagekräftig sein“)?
  • Sofern Sie Dateien mit Schlagworten / Tags versehen können und möchten: Möchten Sie Schlagworte vorgeben (wie kann dann ein geeigneter Schlagwortkatalog aussehen)? Oder möchten Sie eine freie Verschlagwortung durch das Team ermöglichen (Stichwort Social Tagging)?
  • Wollen Sie eine Versionierung nutzen und wenn ja welches (z. B. automatisches Versionsmanagement der Dateiablage oder manuellDateinamen mit Versionskürzeln versehen)?
  • Wie und in welchen Fällen wollen Sie sich über neu eingestellte oder geänderte Dateien informieren (z. B. kurze gezielte Info per Mail oder Forum, automatische Benachrichtigungsfunktionen nutzen)?

Es kann schnell zu ausufernden und detailverliebten Diskussionen führen, wenn Sie derartige Regeln kollaborativ entwickeln. Effizienter kann dies ein Struktur und Semantik zugeneigtes Teammitglied – in Rückkopplung mit den anderen Teammitgliedern – übernehmen. Die Strukturen brauchen zu Beginn nicht akribisch ausgefeilt sein. Ähnlich wie WG-Regeln, die mit der Zeit nachjustiert und ‑verhandelt werden, ist die Weiterentwicklung und Anpassung der Strukturen ein laufender Prozess, auf den idealerweise der oder die „Strukturverantwortliche“ ein systematisches Auge hält.

Vereinbarungen zur gemeinsamen Arbeit an Inhalten

Auch in verteilten Teams gibt es vielfältige Gelegenheiten, gemeinsam an Aufgaben zu arbeiten bzw. gemeinsam Ergebnisse zu erarbeiten, z. B.:

  • Während einer Webkonferenz entwickeln die Beteiligten gemeinsam an einem Whiteboard eine Konzeptidee, die anschließend durch mehrere Personen in einem gemeinsamen Dokument ausgearbeitet wird.
  • Ein Team führt ein Projekttagebuch in einem gemeinsamen Notizbuch.
  • In einem Wiki werden Informationen rund um ein Projekt oder ein Thema gesammelt und kollektiv überarbeitet und weiterentwickelt.

Eine gute Richtschnur bietet der respektvolle und wertschätzende Umgang mit den Beiträgen anderer. Die Person dahinter hat sich i. d. R. Gedanken gemacht und Gründe dafür, sie genau so einzubringen. Ein Übergehen oder kommentarloses Verwerfen wird dem nicht gerecht – begründete Alternativvorschläge oder konstruktive Anmerkungen hingegen schon. Auch wenn ein Beitrag aus Ihrer Sicht „total daneben“ ist, kann er hilfreich sein, weil er Entwicklungspotentiale aufdeckt: Warum sind Sie so unterschiedlicher Auffassung? Fehlen dem anderen Informationen (die Sie ihm geben können)? Haben Sie ein gemeinsames Verständnis von den Zielen, die Sie mit einer Aufgabe verfolgen?

Darüber hinaus kann es hilfreich sein, einige Vereinbarungen zu treffen:

  • Wie machen wir bei der asynchronen Bearbeitung Änderungen unterschiedlicher Nutzer*innen – in einem Dokument, Notizbuch, Wiki o.a. – sichtbar und nachvollziehbar? Bietet das Tool dafür entsprechende Funktionen und wollen wir diese standardmäßig nutzen (z.B. die Funktion „Änderungen nachverfolgen“ in Word)? Oder nutzen wir alternativ Kommentare oder farbliche Formatierungen für die verschiedenen Teammitglieder?
  • Wie stellen wir sicher, dass wir uns nicht gegenseitig Änderungen überschreiben? Moderne Kooperationsplattformen unterstützen das gemeinsame Arbeiten an Inhalten – sofern alle Beteiligten online sind (nutzen Sie z.B. Office 365 oder Google Docs, sehen Sie, wer parallel noch an einer Datei arbeitet, und die Änderungen werden in Echtzeit synchronisiert). Bei Offline-Arbeit können Sie je nach Plattform Dateien vorab sperren oder ein kurzes Signal in den Chat geben „Ich arbeite daran – bitte nicht parallel bearbeiten“.
  • Wer von den Beteiligten hat welche Rolle und Befugnisse in der Erarbeitung? Wer darf Vorschläge machen, aber selbst keine Änderungen vornehmen? Wer darf unmittelbar mitarbeiten und verändern? Wer trägt die Hauptverantwortung für das Produkt?
  • Wie wird entschieden, wenn Ideen nicht vereinbar sind oder man sich für eine Alternative entscheiden muss – entscheiden wir rasch nach Mehrheit, bevor wir zu viel Zeit in Diskussionen verlieren? Oder gibt es eine Einzelperson oder Teilgruppe, die entscheiden darf? Wer hat ggf. ein Vetorecht?
  • Wann ist ein Ergebnis fertig? Wer entscheidet das? Muss es jemand absegnen?

Vereinbarungen zur Arbeitskultur und zum Umgang miteinander

Was für ein Team sind wir eigentlich? Wie möchten wir auf Distanz miteinander umgehen? Was erwarten wir voneinander? Wie viel Kontakt brauchen und wollen wir? Wie gehen wir damit um, dass einige von uns sich vielleicht noch regelmäßig vor Ort sehen, während andere im Homeoffice irgendwie „aus der Welt“ sind? Solche Fragen fallen neben all den inhaltlichen und strukturellen Fragen gern als „psychologischer Softiekram“ hintenüber. Eine offene Auseinandersetzung damit schafft jedoch die Basis für eine vertrauensvolle, zufriedenstellende und damit auch produktive Zusammenarbeit. Zum Beispiel mit diesen Fragen:

  • Wie wollen wir eigentlich Kontakt halten? Jeden Morgen mal kurz telefonieren – so wie wir morgens beim Kommen auch schnell den Kopf ins Büro der anderen stecken? Oder ist Telefonieren schon ein „zu großer“ Akt? Das hängt sicher auch davon ab, ob es auch sonst regelmäßige Kontaktpunkte gibt (z. B. weil ständig Telefon- oder Videokonferenzen anstehen, bei denen man sich begegnet) oder ob jemand nur einen Tag oder vier von 5 Tagen im Home Office arbeitet.
  • Wie intensiv und häufig möchten wir miteinander in Kontakt stehen? Wie wichtig ist uns die soziale Awareness (also die gegenseitige soziale oder aufgabenbezogene Wahrnehmung und Bewusstheit der Teammitglieder) bzw. wie „dauerhaft präsent“ möchten wir einander sein?
  • Wollen wir Raum lassen für Informelles, für das, was sonst vielleicht beiläufig auf dem Flur oder beim gemeinsamen Mittagessen passiert? z.B. in Besprechungen zu Beginn großzügig Zeit für einen Check-in vorsehen; Ist es „erlaubt“, andere „von der Arbeit abzuhalten“, wenn wir zwischendurch einfach mal so zum Hörer zu greifen, um zu hören, wie’s geht?
  • Welche „Teamregeln“ bzw. welche Werte der Zusammenarbeit sind uns bei der Zusammenarbeit auf Distanz wichtig? Was sind „No-Gos“ im Umgang miteinander? Mal überspitzt: Was müssten wir tun, um uns die Lust an der verteilten Zusammenarbeit gründlich zu verderben (z.B. Kontaktabbruch – nicht mehr ans Telefon gehen – als Kampfmittel in einem Konflikt)?
  • Wann und in welcher Form schaffen wir uns als Team Raum, um gemeinsam über das „Wie“ unserer Zusammenarbeit zu sprechen (z. B. kurzes Blitzlicht dazu am Ende von Telefonkonferenzen und persönlichen Treffen, Manöverkritik am Ende absolvierter Meilensteine)?
  • Wie möchten wir mit „Beziehungsstörungen“ umgehen? Wer regelt Konflikte mit wem (möglichst kleiner Kreis, unnötige Streuung vermeiden, nicht über Dritte)? Und über welches Medium (eher „reiche“ Medien wie z.B. Telefon wählen)? Wer wird in welchen Fällen informiert (Einschaltung der Führungskraft zur Klärungshilfe, Information des Teams)?
  • Verfolgen wir weitere Ziele neben unserer jeweils eigenen „Alltagsarbeit“ (z. B. voneinander lernen und uns gegenseitig weiterentwickeln)? Wie können wir diese Ziele auch über die räumliche Distanz verfolgen? „Darf“ ich meine erfahrene Kolleg*in mehrfach am Tag anrufen, wenn ich Fragen habe – so wie ich sie sonst mal kurz quer über den Schreibtisch gefragt habe?

Wer sich kennt und vertraut, merkt, dass Zusammenarbeit auch auf Distanz prima funktioniert. Für die meisten gilt sicherlich trotzdem: Schön, wenn wir uns alle wieder persönlich sehen und miteinander arbeiten können. Dennoch wird bei vielen auch nach der Krise die Mischung von Arbeiten im Büro und Arbeiten im Homeoffice oder mobil eine andere sein als vorher. Dass das gut geht, zeigt die Erfahrung in den Experimenten, die uns die Corona-Krise aufgezwungen hat. Arbeiten auf Distanz ist dann nicht nur eine Notlösung, sondern ermöglicht auch vieles (Flexibilität für die Vereinbarkeit von Arbeit und Familienleben, Ökologie / weniger Zeit auf überfüllten Autobahnen oder in überfüllten Zügen, konzentriertes Arbeiten, …).

Und: auch als Team, das große Teile in räumlicher Verteilung arbeitet, kann man sich richtig gut als richtig gutes Team fühlen!

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Demnächst schieben wir übrigens noch einen dritten Teil der Blog-Reihe „Virtuelle Zusammenarbeit in Verwaltungen“ hinterher. Darin nehmen wir das Thema Führung auf Distanz in den Blick. Was, wenn meine Mitarbeiter*innen nicht mehr alle am selben Ort arbeiten (oder zur gleichen Zeit) – und wir trotzdem gemeinsam dafür sorgen müssen, dass der Laden läuft?

Jetzt aber erst einmal: Eine ungewöhnliche, aber hoffentlich trotzdem irgendwie schöne und vor allem gesunde Osterzeit!

 

[1] Auch in diesem Beitrag greifen wir wieder auf das zurück, was meine Kollegin Doro mit anderen synexa-Kollegen für ein Buch zusammengeschrieben hat (Dorothea Herrmann, Knut Hüneke, Andrea Rohrberg: Führung auf Distanz. Mit virtuellen Teams zum Erfolg. Springer Gabler, 2. Aufl. 2012) und auf ein darauf basierendes Studienheft (Sabine Schwittek: Zusammenarbeit in virtuellen Projektteams. Europäische Fernhochschule Hamburg, überarbeitete Aufl. 2020).

3 Kommentare

  1. Kerstin sagt:

    Super, auch dieser Beitrag kommt für mich und meine Arbeit zu rechten Zeit und enthält alles, wozu ich mir auch schon Gedanken gemacht habe. Zwar suche ich immer noch für das eine oder andere “Problem” das Tool, aber dieses muss ja auch beherrscht werden – von allen Nutzern. Daher sind sowohl die intuitive Bedienbarkeit des Tools als auch klare Regeln des Umganges damit und miteinander für den Erfolg unabdingbar.
    Herzlichen Dank für den Input und dem Verwaltungsrebellenteam frohe Ostern!

  2. Ines sagt:

    Super aktueller Beitrag, vielen Dank!
    Habe spontan alles visualisiert (in einer Sketschnote) und werde es mit meinen Kolleginnen anschauen und durchsprechen zwecks eventueller Einführung eines Aufgabenboards.
    Danke für die wundervollen positiven und trotzdem klar strukturierten Inspirationen!
    Agile Verwaltung ist also möglich, schön…
    Fröhliche Grüße!

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