Als Beraterinnen werden wir häufig gerufen, um Wissen in die Organisation zu bringen: „Wie können wir als Verwaltung Projekte besser steuern, Teams weiterentwickeln, die Digitalisierung wuppen, …?“. Wenn Menschen aus unterschiedlichen Organisationsbereichen oder gar unterschiedlichen Verwaltungen in unseren Workshops und Seminaren zusammenkommen, stellen wir jedoch fest, dass ganz viel Wissen schon da ist. Daher nutzen wir gern Einheiten der kollegialen Beratung, in denen wir die Leute an einen Tisch bringen und ihnen einen Rahmen und eine gute Struktur geben, um Erfahrungen auszutauschen und gemeinsam Ideen zu spinnen. Der Rest läuft von selbst. Damit das passiert, braucht es (leider) häufig Externe.
Das muss aber nicht so sein.
Eigentlich braucht es nur eine Person, die zu einem „Lean Coffee“ [1] einlädt – und die eine Idee davon hat, wie so ein Lean Coffee-Format abläuft (dazu später mehr). Eigentlich. Denn uneigentlich ist schon die Einladung die erste Hürde: Darf ich einfach einen Aushang am schwarzen Brett machen oder Zettel verteilen? Oder per Intranet zu einem Lean Coffee einladen? Müsste ich dazu nicht erst meine Führungskraft fragen? Und die wiederum ihre Fachbereichsleitung … und die zumindest mal beim Verwaltungsvorstand anklopfen, ob so etwas denn überhaupt im Hause gewünscht ist? … Hm, ja. … Oder Sie halten es wie Grace Hopper (US-Marine-Admiralin und Pionierin der Informatik): „Es ist einfacher, um Verzeihung zu bitten, als um Erlaubnis zu fragen“. Vielleicht bekommen Sie „einen auf den Deckel“ und müssen die Zettel wieder abhängen. Vielleicht sind aber trotzdem Leute neugierig geworden und fangen an, nachzufragen. Vielleicht dürfen die Zettel sogar hängenbleiben, und Ihr Lean Coffee macht Schule und leistet einen wertvollen und lebendigen Beitrag zum Wissensmanagement und zur Vernetzung im Hause.
Egal, ob Sie es selbst anzetteln (im wahrsten Sinne des Wortes) oder jemand anderes schneller war und sie daran teilnehmen, hier eine kurze Anleitung, wie ein Lean Coffee funktioniert:
Vor dem Treffen: Die Einladung und der Rahmen
Aus der Einladung sollte hervorgehen, was ein Lean Coffee ist: ein Treffen ohne festgelegten Teilnehmer*innenkreis und ohne vorab festgelegte Agenda mit dem Ziel, Erfahrungen auszutauschen und gemeinsam Ideen zu spinnen. „Lean“, weil die Methode Prinzipien wie Einfachheit, Eigenverantwortung, Lernen verpflichtet ist, und „Coffee“, weil das Treffen in entspannter, informeller Atmosphäre stattfinden soll.
Zu einem Lean Coffee wird in der Regel öffentlich eingeladen (wie oben beschrieben). Es gibt keinen abgegrenzten Teilnehmer*innenkreis – teilnehmen darf jede Person, die interessiert ist. Allerdings sollte die Gruppe nicht groß sein (ggf. auf mehrere Tische aufteilen).
Bei einem klassischen Lean Coffee wird das übergreifende Thema offengelassen – denkbar ist alles, wozu ein Austausch mit anderen hilfreich sein könnte. Sie können aber auch ein Oberthema benennen (z.B.: „Agiles Arbeiten in der Verwaltung“, „Digitalisierung“, „Fallstricke in Projekten“, „Umgang mit …“), müssen sich allerdings bewusst sein, dass das den Kreis potenzieller Teilnehmer*innen einschränkt.
Als Ort eignet sich eine Cafeteria, eine Teeküche oder auch ein Besprechungsraum (wenn mehr Vertraulichkeit gewünscht ist). Der Zeitrahmen beträgt oft 1,5 oder 2 Stunden.
Als Ausstattung benötigen Sie: Einen Bogen Flipchart-Papier, Klebezettel (am besten etwas größere), Stifte / Marker, etwas Kreppklebeband. Kaffee und Kekse kommen natürlich auch immer gut an. 🙂
1. Einfaches Kanban-Board erstellen
Zu Beginn des Treffens (oder kurz vorher) zeichnen auf einem Flipchart eine einfache Tabelle den drei Spalten „zu besprechen“ (TODO), „wird gerade besprochen“ (DOING) und „wurde besprochen“ (DONE). Das Flipchart hängen Sie für alle sichtbar auf (Tipp: mit Krepppapier-Röllchen geht das fast überall).
2. Themen sammeln und vorstellen
Jede*r, der ein Besprechungsthema anbieten möchte, schreibt es auf einen Klebezettel und erklärt es kurz (!) in 1-2 Sätzen und ohne schon auf Details einzugehen. Die Klebezettel kleben Sie zunächst in die Mitte des Tisches.
3. Themen priorisieren
Nun stimmen Sie die Priorität der Themen demokratisch per Punkteabfrage ab: Jede*r am Tisch hat z. B. drei Stimmen und markiert damit die für ihn oder sie interessanten Themen (dabei max. zwei der drei Punkte auf demselben Klebezettel). Anschließend werden die Themenzettel in der Reihenfolge der Bewertung in die Spalte „Bereit“ geklebt – das Thema mit den meisten Punkten klebt oben.
4. Themen besprechen
Das oberste Thema der Spalte „Bereit“ wird in die Spalte „In Bearbeitung“ geklebt und genau 10 Minuten besprochen (Timer stellen!).
Nach Ablauf der Zeit stimmen Sie per Daumenabfrage ab: „Sollen wir dem Thema eine Verlängerung geben?“ (Daumen hoch = ja, Daumen runter = nein).
Falls die Mehrheit für Ja stimmt: Stellen Sie den Timer auf 5 Minuten und sprechen Sie weiter über das Thema. Danach stimmen Sie erneut ab: Besteht dann immer noch Gesprächsbedarf, ist dieses Thema den Teilnehmenden offenbar so wichtig, dass es sich lohnt, eine eigene Besprechung dafür zu planen. Darum kümmert sich dann die Person, die das Thema eingebracht hat. Hier und heute geht es aber auf jeden Fall nicht weiter.
Wurde ein Thema besprochen, wird es in die nächste Spalte geklebt und das nächste Thema ist dran.
5. Lean Coffee beenden
Nach Ablauf der Zeit wird das Lean Coffee pünktlich (!) beendet. Sollten noch wichtige Themen offengeblieben sein, können die Teilnehmenden sich direkt für eine Fortsetzung oder auch für gesonderte Besprechungen verabreden.
Klar, die Lean Coffee-Methode ist nicht geeignet für komplexe Sachverhalte, die ein tiefes Eintauchen, Sammeln, Erörtern und Bewerten in unterschiedlichste Aspekte erfordern und keinen Zeitdruck vertragen. Aber die Themen, die den Alltag prägen, sind oft anders: Nicht unendlich komplex – aber trotzdem stecke ich fest, brauche eine Idee oder eine Entscheidung, welche von mehreren Ideen am ehesten zu verfolgen lohnt … Brauche jemanden zum gemeinsamen lauten Denken … Brauche jemanden, der mich auf einen blinden Fleck in meinen Gedanken aufmerksam macht, mich zu einen Perspektivwechsel bringt …
Und genau dafür ist Lean Coffee ein perfekt passender Rahmen!
[1] Lean Coffee ™ ist eine angemeldete Marke von Modus Cooperandi.