Vor ziemlich genau drei Jahren übernahm Kerstin Sander die Leitung der Abteilung „IT und Verwaltungsdigitalisierung“ beim Kreis Soest – in einer Doppelspitze gemeinsam mit ihrem Kollegen Helge Paul (IT-Fachliche Leitung). Es war kein einfaches Erbe, das sie da antrat: Zahlreiche Stellen waren vakant, drei von vier Führungsstellen teilweise seit Jahren nicht besetzt. Die Stimmung in der Belegschaft war am Boden. Mehrere wertvolle Fachkräfte waren auf dem Sprung, sich auf andere Stellen zu bewerben. Zwar waren sogar zusätzliche Stellen genehmigt, aber gar nicht ausreichend Arbeitsplätze dafür vorhanden.
Nun, drei Jahre später, ist die Zufriedenheit unter den gut 40 Mitarbeiter:innen sehr hoch. Das ist im Alltag deutlich spürbar und interne Zufriedenheitsumfragen bestätigen es. Mitarbeitende halten nicht mehr nach neuen Stellen Ausschau und lehnen sogar Jobangebote mit höheren Entgeltstufen ab. „New Work“ wird gelebt – mit einer hohen Homeofficequote, flexibler Raumnutzung, digitalen Kollaborationstools.
Was ist passiert? Dazu haben wir Kerstin Sander interviewt. Gelebte Fehlerkultur, Führung als Dienstleistung, Selbstorganisation, flexibles Arbeiten, … – solche Schlagworte füllt sie mit Leben und zeigt ganz bodenständig und voller Leidenschaft, wie’s praktisch gehen kann.
Schritt für Schritt zur Transformation
„Was habt ihr getan, um diese Veränderung zu erreichen?“, das war eine der ersten Frage, die wir Kerstin gestellt haben. Hier zunächst die Übersicht ihrer ganz konkreten Maßnahmen, bevor wir im nächsten Teil genauer darauf schauen, welche Haltung und Prinzipien diesem Vorgehen zugrunde lagen.
Belegschaft sichern
Eine echte Mammutaufgabe, die in der ersten Zeit im Vordergrund stand: Kompetente Mitarbeiter:innen finden – für die vakanten wie für die neu geschaffenen Stellen.
Das erforderte nicht nur ein schlankes Besetzungsverfahren, sondern auch ein gut durchdachtes Onboarding. Denn vieles war im Umbruch, und die neuen Kolleg:innen sollten nicht durch eine schwierige Stimmungslage verschreckt werden.
Und auch die Mitarbeitenden, die die ganze Zeit über „den Laden aufrecht erhielten“, durften nicht aus dem Blick geraten. Es galt, Stabilität zu gewinnen, insbesondere mit denen, die damals auf dem Absprung waren, und das Vertrauen in Führung wiederherzustellen.
Struktur der Abteilung neu aufbauen
Der Bereich Organisation wurde damals mit der IT zusammengeführt, im Bereich Digitalisierung kamen neue Stellen hinzu. Eine Gelegenheit, die Struktur der Abteilung neu zu denken.
Kerstin Sander und Helge Paul entwickelten zunächst ein Blanko-Organigramm und legten das anschließend in Mitarbeitergesprächen vor: „So stellen wir uns vor, was in den verschiedenen Sachgebieten laufen soll. Wo seht ihr euch?“. Der Rahmen war also klar durch sie als Führung vorgegeben, die Ausgestaltung erfolgte partizipativ.
Dass dieser Plan aufgegangen ist und am Ende alle zufrieden waren, darauf ist Kerstin Sander besonders stolz: „Es hat ein paar Schleifen und etwas Geduld gebraucht, aber am Ende konnte ich jeden an die Stelle setzen, wo er hin wollte, wo er sich in dem Organigramm wiedergefunden hat.“
Über ein gemeinsames Prozessverständnis zusammenwachsen
„Wie habt ihr nun die alltägliche Zusammenarbeit mit Leben gefüllt und das Zusammenwachsen gefördert?“ war unsere nächste Frage. Statt dazu Ziele, Visionen und Leitbilder zu entwickeln, klärte Kerstin Sander solche Grundsatzfragen entlang der täglichen Arbeit: „Wir haben großen Wert darauf gelegt, gemeinsam Prozesse durchzusprechen und zu definieren. Zum Beispiel: Wie wird ein neues Software-Produkt eingeführt? Oder: Wie gehen wir mit Anforderungen um, die eine Fachabteilung stellt? Dabei fragen wir uns: Wo fängt der Prozess an? Wer muss wann wie aktiv werden? Welche Schritte gibt es, wen brauche ich dabei? Aber auch: Was sind unsere Rolle und unsere Haltung im Prozess? Dadurch haben wir ein gemeinsames Prozessverständnis entwickelt, und das hat enorm beim Zusammenwachsen geholfen.“
Als Rahmen diente dabei „ITIL“ (das steht für „Information Technology Infrastructure Library“ und ist ein international etablierter Best-Practice-Rahmen für IT-Service-Prozesse). Alle Beteiligten wurden entsprechend qualifiziert. Kerstin hatte zudem jahrelange Prozesserfahrungen aus ihrer Zeit als Qualitätsmanagement-Beauftragte im Gepäck.
Das Prozessdenken ist mittlerweile allen in Fleisch und Blut übergegangen. Da Prozesse „leben“ und auch neue Mitarbeiter:innen dazukommen, werden sie immer wieder gemeinsam thematisiert und laufend angepasst.
Regelbesprechungen verändern
Auch hier hat Kerstin ziemlich aufgeräumt und die Teams angeregt, dies ebenfalls zu tun. Immer nach der Devise: „Sitzungen, die keinen Mehrwert haben, brauche ich nicht. Die Leute sollen immer was mitnehmen. Und es soll immer nur der Kreis am Tisch sein der für das Thema wichtig ist“, so Kerstin Sander.
Das Ergebnis:
- Sachgebietsleitungen schicken, wenn sie selbst verhindert sind, keine Vertretung mehr in die SGL-Runde. Kerstin Sander: „Ich sehe das Team der Führungskräfte als ein eigenes geschlossenes Team. In diesem Team stimmen wir wichtige Entscheidungen ab – das muss vertrauensvoll möglich sein“
- Regelmäßig findet auch eine Runde für Führungskräfte ohne Protokoll statt. Das bietet Raum, um sich kollegial zu beraten, aber auch, um entlastende Psychohygiene zu betreiben.
- 3 bis 4 x pro Jahr findet eine Abteilungsbesprechung mit allen Mitarbeiter:innen statt. „Früher bestand diese vor allem aus Monologen der Führungskräfte. Heute haben wir immer noch einen Anteil an Information, aber immer auch einen Anteil an Kollaboration, Begegnung und Auseinandersetzung mit der Frage ‚Wie arbeiten wir miteinander?‘“. Z.B. für einen Workshop zum Arbeitsplatz der Zukunft oder für Walks & Talks und Kennenlernrunden, als nach langer Coronapause endlich wieder Treffen möglich waren.
- Die meisten Teams machen mittlerweile tägliche oder wöchentliche „Standups“ / Jour Fixes, um sich gegenseitig auf den Stand zu bringen und zu koordinieren.
Darüber hinaus gibt es Jours fixes zu bestimmten Themen (z.B. IT-Sicherheit) – und immer wieder auch Workshops nach Bedarf, um konkrete Probleme anzugehen.
Zeitlich und räumlich flexibles Arbeiten etablieren
Dass es nach der Besetzung aller Stellen nicht genug Arbeitsplätze für alle Mitarbeiter:innen geben würde, war ein Problem, das die Abteilung früh angehen musste. Nachdem eine klassische Arbeitsgruppe zunächst keine Ergebnisse brachte, legte die Abteilung einfach selbst los („So, Helge, wir machen das jetzt alleine, wir fangen jetzt einfach mal an.“) Ganz nach dem Motto EINFACH machen und einfach MACHEN.
Zunächst wurden die Namensschilder abgenommen und die Türschilder neutralisiert.
In einem Design-Thinking-Workshop mit allen Mitarbeiter:innen wurden sechs relevante Arbeitsmodi hergeleitet: konzentrierte Tunnelarbeit ohne Störung, normale Einzelarbeit, Dialogarbeit, Teamarbeit, Besprechungen, informeller sozialer Kontakt.
Daraus wurden dann Veränderungen abgeleitet:
- „Mein Büro“ gibt es nicht mehr. Arbeitsplätze werden per Raumbuchungstool gebucht, freie Plätze können einfach genutzt werden.
- 40% der Arbeitszeit sollen alle im Kreishaus arbeiten, der Rest ist flexibel.
- Ein unliebsames Durchgangsbüro wurde zur Teeküche umgestaltet.
- Aus einem 3er-Büro wurde ein kreativer Besprechungsraum.
- Rollcontainer wurden abgeschafft, aber jede:r hat einen Schrankbereich für persönliche Sachen.
Bei den räumlichen Veränderungen war die Devise von Anfang an: „Jeder soll sich an jedem Arbeitsplatz wohlfühlen können“. Die Veränderungen werden begleitet durch Zufriedenheitsabfragen. Die Mitarbeiter:innen waren durchgehend beteiligt: in Workshops oder auch mal per Frage an alle über das Kollaborationstool Nextcloud. Kerstin Sander: „Grundlegende Fragen gebe ich dann in den Chat: ‚Wir müssen uns entscheiden: drei zusätzliche Arbeitsplätze oder einen Besprechungsraum?‘. Und dann läuft das üblicherweise so, dass einige antworten, und wenn von den anderen kein Widerspruch kommt, dann setzen wir das so um.“
Und auch das Teambuilding kam nicht zu kurz. So wurden die Rollcontainer im Rahmen einer gemeinsamen Ausmist-Aktion abgeschafft: „Da haben wir dann alle zwei Stunden früher aufgehört zu arbeiten, zwei Kubikmeter Müll aus den Schränken rausgeholt, die Rollcontainer geleert, einmal durchgefegt – und sind anschließend feiern gegangen“.
Der Präsenzanteil von 40% ist das Resultat eines Aushandlungsprozesses – aber innerhalb eines klaren Rahmens, den Kerstin Sander vorgibt: „Ich finde wichtig, dass ihr noch Raum für Begegnung und ad-hoc-Kommunikation habt und dass auch ich als Führungskraft mitbekommen und erleben kann, wie es euch geht und wo ihr gerade unterwegs seid, das kommt im Homeoffice doch zu kurz“.
Vertrauen fördern
„Ich habe eine Situation vorgefunden, in der Mitarbeitende entweder längere Zeit keine Führungskraft hatten, weil die Stelle lange vakant war, oder zum Teil schwierige Erfahrungen mit Führungskräften erlebt haben, die einen klassischen Führungsstil gelebt haben“, so Kerstin Sander. Vertrauen in Führung wiederherzustellen sah und sieht sie daher nach wie vor als eine Kernaufgabe an.
Doch das ist nicht durch Appelle („Ihr könnt mir vertrauen“) oder durch einzelne Maßnahmen zu erreichen. Dass es Kerstin Sander trotz der widrigen Ausgangssituation gelungen ist, einiges an Vertrauen zurückzugewinnen und eine hohe Zufriedenheit ihrer Mitarbeiter:innen wiederherzustellen, hat vor allem mit ihrer Haltung als Führungskraft zu tun.
Gelebte Werte und Prinzipien einer „Neuen Führung“
In Kerstin Sanders Haltung spiegeln sich viele Werte und Prinzipien wieder, die man derzeit unter Stichworten wie „Neue Führung“, „Führung 4.0“ oder „Digital Leadership“ findet:
Positives Menschenbild
Kerstin Sander ist überzeugt: „Eigentlich möchten doch alle an ihrer Stelle ihr Bestes tun. Sie müssen eigentlich nicht ‚angetrieben‘ werden. Klar, auch in unserer Verwaltung gibt es ‚Unterbringungsfälle‘, die innerlich gekündigt haben, nichts tun oder sogar gegen das System arbeiten. Aber es ist auch so: Jeder einzelne Auszubildende, den ich kennengelernt habe, hat hochmotiviert angefangen. Wenn das irgendwann nicht mehr so ist, dann ist die Frage: Was ist auf dem Weg passiert? Wie kann ich es vermeiden, dass Leute auf diesen Weg abrutschen? Und das ist Führungsaufgabe!“.
Führung als Dienstleistung
In dem Bild der „Führungskraft als Coach“, das Kerstin Sander in einer Fortbildung kennengelernt hat, fand sie sich sofort wieder. „Das war eine Schlüsselerfahrung für mich. Mein Job ist: Ich muss die Rahmenbedingungen schaffen, damit meine Mitarbeitenden gut arbeiten können. Ich versuche keine Ratschläge zu geben und wo immer es möglich ist, versuche ich nichts vorzugeben. Sondern: Ich führe durch Fragen, aber auch durch Ziele, die wir gemeinsam abstimmen. Das ist aber übrigens eine Herausforderung, denn auf die richtigen Fragen muss ich auch erst kommen“.
Dazu gehört auch, sich auf unterschiedliche Bedürfnisse einzustellen, und das braucht Empathiefähigkeit. Zum Beispiel beim Thema Räume: Manche Mitarbeiter:innen schauen auf das Funktionale, anderen ist es wichtig, es schön zu haben. Hier hilft Kerstin Sander auch auf die wertschätzende Gesprächsführung, in der sie im Rahmen ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit ausgebildet worden ist.
Besprechungen als Schlüssel
Eine wichtige Dienstleistung, die Kerstin Sander einbringt, ist die Moderation von Besprechungen: „Jede Besprechung ist eine Chance, um an Vertrauen, an Fehlerkultur, an Problemen, an gemeinsamem Prozessverständnis zu arbeiten. Wenn ich meinen Kalender anschaue, dann ist der voller Besprechungen. Und in jeder davon ist das alles Thema“.
Besprechungen werden dabei systematisch vorbereitet, strukturiert und moderiert und setzen darauf, alle Anwesenden zu beteiligen und aktiv einzubeziehen.
Kontrolle & Verantwortung abgeben
„Ich kontrolliere nicht, ich setze auf Eigenverantwortung und Vertrauen“, so Kerstin Sander. Zum Beispiel beim Thema Präsenzquote. „Ich prüfe nicht, ob die Leute wirklich 40 % ihrer Arbeitszeit im Kreishaus sind. Und ich möchte das auch nicht weiter regeln. Aus meiner langjährigen Verwaltungserfahrung habe ich die Erkenntnis erlangt, dass viele Regelungen in Dienstanweisungen im öffentlichen Dienst so detailliert beschrieben sind und kaum Spielraum lassen, weil siedarauf ausgelegt sind, den kleinen Anteil zu erwischen, der Freiheiten missbrauchen könnte. Aber so viele Regelungen kann ich gar nicht schaffen, um das zu vermeiden. Und dabei bremse ich die anderen aus“.
Am Beispiel Präsenzquote wird anschaulich, was Eigenverantwortung bedeutet: So sorgen die Mitarbeiter:innen selbst dafür, dass immer jemand aus jedem Team vor Ort erreichbar ist. Wer zu einer Besprechung einlädt, entscheidet, wo und wie sie stattfindet, und plant entsprechend. Und alle planen ihre Präsenzzeiten so, dass Präsenzbesprechungen möglich sind.
Aber wie kann man eine solche Eigenverantwortung fördern, wenn Mitarbeiter:innen nach Führung rufen? Die klare Antwort von Kerstin Sander: „Ich muss manchmal auch sagen: Zu dieser Frage kriegst du keine Entscheidung von mir. Klärt das unter euch.“
Fehlerkultur
Das „schonungslose Hingucken“ ist in ihrer Abteilung zur Normalität geworden. „Wenn Dinge nicht so laufen wie geplant oder vereinbart, dann geht es nicht darum, die Schuld zu suchen. Stattdessen frage ich: Woran liegt es und was tun wir, damit es nicht noch mal passiert? Wie können wir uns verbessern?“, so Kerstin Sander. Fehlerkultur braucht aber auch psychologische Sicherheit, und die fördert sie, indem sie sich bei Fehlern auch klar vor ihre Mitarbeiter:innen stellt. Und indem sie immer wieder Gelegenheiten gibt, um positive Erfahrungen im Umgang mit Fehlern zu sammeln.
Ein Beispiel dafür ist die regelmäßige Ticketanalyse: „Gemeinsam mit dem Leiter des Service Desks analysieren wir ausgewählte Tickets: Was können wir daraus lernen? Ist das ein Einzelfall oder steckt mehr dahinter? Wieso ist der Prozess in dem Ticket nicht so gelaufen, wie wir ihn definiert haben? Müssen wir hier nochmal nachschärfen? Wissen die Mitarbeiter:innen ggf. einige Dinge noch nicht? Wo gibt es Schulungsbedarfe bei den Anwender:innen, die wir an die Personalentwicklung weitergeben sollten?“
Als gutes Beispiel vorangehen
„Auch wenn ich nicht kontrolliere: Ich weiß, ich werde kontrolliert. Die Mitarbeitenden schauen genau darauf, was ich mache. Ich bin die erste, die das einhalten muss, was ich von anderen erwarte“, so Kerstin Sander. So hat sie schon sehr früh ihr Büro abgeschafft und achtet sehr darauf, dass sie selbst die Präsenzquote einhält.
„Als Führungskraft bei sich selbst anfangen“ – das gilt auch beim Thema Fehlerkultur: Kerstin Sander geht offen und manchmal selbstironisch mit ihren eigenen Schwächen um: „Ich bin keine Technikerin. Oder mein Redefluss – ich rede und schreibe mich manchmal in Rage. Und ich habe auch einen Kontrollfreak in mir, dem das Loslassen nicht immer leicht fällt. Auch, wenn das, was ich hier erzähle vielleicht gut klingt: Es ist nicht alles Gold, was glänzt!“.
Und sie geht auch voran beim Umfang mit eigenen Fehlern: „Wenn ich eine falsche Entscheidung getroffen habe, dann schreibe ich auch schon mal eine Nachricht an alle: ‚Es tut mir leid, das ist falsch gelaufen, das möchte ich zukünftig anders machen und warum‘.“ Und sie fordert immer wieder auch selbst Feedback ein – wohl wissend, dass es nicht einfach ist, als Führungskraft ehrliche Rückmeldungen zu erhalten. Auch deshalb der Mut, eine anonyme Zufriedenheitsumfrage zu machen.
Mut, auch mal entschieden und direktiv zu handeln
Auch wenn Kerstin Sander als Führungskraft sehr zugewandt, wertschätzend und partizipativ agiert, scheut sie sich nicht, mitunter auch eine klare Linie vorzugeben. Etwa, wenn sie beim Organigramm eine Struktur vorgibt und diese nicht völlig frei diskutiert. Oder wenn sie sagt: „Mir ist egal, wann ihr wo arbeitet, aber 40% der Zeit seid ihr bitte im Kreishaus.“
Entscheidend ist, dass sie dies nicht willkürlich und immer gut begründet tut. Kerstin Sander: „Ich erkläre sehr viel. Was ich wie entscheide und warum. Das auch und vor allem dann, wenn ich Entscheidungen wieder umwerfen muss.“ Und sie gibt Gelegenheit, Rückfragen zu stellen und Gegenargumente zu liefern: „Wenn mich meine Mitarbeiter:innen mit wirklich guten Argumenten überzeugen, dann ändern wir das auch wieder. Aber die Argumente möchte ich schon auch hören. Ein einfaches „gefällt mir nicht“ lasse ich nicht gelten.“
Was auch hilft, ist zum Experimentieren einzuladen. „Ich sage dann: Probiert es auch. Und dann gebt Rückmeldungen und dann reden wir wieder darüber“.
Und auch hier ist ein Punkt wichtig, der sich durch die Haltung zieht: Authentizität. Wenn das Verhalten der Führungskraft stimmig und nachvollziehbar ist, dann ist es offenbar kein Widerspruch, an einer Stelle partizipativ vorzugehen und an anderer bewusst direktiv. „Ich muss mich selbst damit wohlfühlen können, selbst sagen: Das ist mir wichtig, dafür habe ich einen guten Grund und dafür stehe ich ein.“
Genau diese Authentizität, dass sie die zuvor skizzierten Werte und Prinzipien glaubwürdig vertritt und lebt, macht Kerstin Sander aus unserer Sicht zu einem beeindruckenden Beispiel für einen neuen Führungsstil in der Verwaltung. Sie selbst würde sich freuen, wenn die Ideen einer „Neuen Führung“ sich in der Verwaltung verbreiten und teilt daher gern ihre Erfahrungen: „Vielleicht bewegt das etwas. Wenn der Blog-Beitrag auch nur eine Führungskraft zum Nachdenken bringt und sie Lust bekommt, etwas anderes auszuprobieren, dann war er ein voller Erfolg“.
Ihr Erfahrungen teilt Kerstin Sander übrigens nicht nur hier im Blog, sondern auch im Verwaltungsrebellen-Netz. Wer dort registriert ist, findet im News-Kanal „Aus den Verwaltungen“ drei spannende Erfahrungsberichte von ihr:
- #New Work – Teil 1: Wie wir uns auf den Weg gemacht haben.
- Mobiles Arbeiten neu gedacht beim Kreis Soest
- „Badeerlebnis mit Verwaltungsrebell:innen…“ Übersicht über Projekte geben und dabei ein wenig Schaum schlagen
Und am 06.10.2022 wird sie zu dem Thema „Neue Führung“ auch eine KIWI-Session anbieten: „Agile Verwaltung braucht agile Führung? – Austausch für und von Führungskräften oder die, die es noch werden wollen“ (weitere Infos und Anmeldung im Verwaltungsrebellen-Netz).
Liebe Verwaltungsrebellen*innen,
als IT-Mitarbeiterin (Wirt.Inform.) in einer Kommunalverwaltung im Norden (SE), verantwortlich für Anforderungs- und IT-Prozessmanagement, habe ich mit großer Freude das Interview mit Kerstin Sander gelesen. Unser Weg scheint noch sehr lange im Vergleich zur Route, die Soest mit ihrer IT und Verwaltungsdigitalisierung eingeschlagen hat.
Zwar habe ich Euren Newsletter rein aus Interesse privat abonniert, habe jedoch eine Frage aus meiner/unserer aktuellen Diskussion im Kreis. Welches Kollaborationstool setzt Frau Sander/Soest IT ein und für welche Funktionen?
Ich freue mich über eine Info und danke für Eure Arbeit!
Viele Grüße aus Schleswig-Holstein
Susanne Bartel
Hallo Susanne, wir nutzen Nextcloud als open source um Dateien zu sharen und für den dsgvo-konformen Chat. Dann noch Wekan für Kanban-Boards ebenfalls open source und Webex für Videokonferenzen. Telefonkonferenzen bringt unsere Telefonanlage mit.
Viele Grüße
Liebe Verwaltungsrebellen:innen, liebe Frau Sander,
ich habe sehr interessiert den o.g. Blogeintrag gelesen. Aktuell ist unser Team auch auf der Suche nach einem Raumbuchungstool. Mit welchem Tool arbeitet der Kreis Soest und wie sind die bisherigen Erfahrungen damit?
Viele Grüße aus Lünen
Eva Brümmer
Hallo liebe Eva Brümmer, wir hatten auf dem Markt nach einem Tool gesucht, sind aber nicht fündig geworden. Die Lösungen waren oft zu „mächtig“ und damit auch viel zu teuer für uns. Da wir gleichzeitig mein neues Team im Sachgebiet „IT-Innovation“ mit entsprechenden Skills aufbauen wollten, haben wir selbst ein Tool im Rahmen eines agilen Projektes entwickelt. Hintergrundinfos sind auch im Eildienst 4/2022 ab S. 203 ff. des LKT zu finden: https://www.lkt-nrw.de/media/13351/eildienst-04-2022.pdf . Wir haben vor, das Tool auch als open source anderen Kommunen zur Verfügung zu stellen. Wenn es soweit ist, werde ich im Verwaltungsrebellennetzwerk berichten :-). Bei Fragen gerne auch per PN. Viele Grüße Kerstin Sander
Hallo Frau Sander,
vielen Dank für den sehr interessanten Beitrag.
Bei der Stadt Dortmund soll auch ein Tool zur Raumbuchung in Eigenentwicklung erstellt werden.
Ich habe Ihre verlinkte PDF-Datei an die Teamleitung der Anwendungsentwicklung im Dortmunder Systemhaus (FB10) weitergeleitet.
Vielleicht ergibt sich dadurch eine interkommunale und OpenSource basierte Entwicklung…
Viele Grüße, Norman Eßeling