Die Team-Charta – ein Instrument für Neues Arbeiten beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL)

Foto einer Workshop-Situation. An einer Pinnwand und Fensterfront hängen zahlreiche bunte Klebezettel. Verschiedene Personen sitzen zusammen und schauen auf eine Person, die die gerade Zettel anklebt.

„Wie können wir Teams unterstützen, ins Neue Arbeiten zu kommen?“ Diese Frage stellte sich das Team der Organisationsentwicklung beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL), als nach der Coronakrise absehbar war, dass mobiles, flexibleres Arbeiten zum „neuen Normal“ wird.

Das OE-Team fungierte 2022 als Testlabor, um zu erproben, wie sich die neue Dienstvereinbarung „Flexibler Arbeitsplatz im LWL“ in der Praxis umsetzen lässt und wie sich Zusammenarbeit dadurch verändert. Hier entstand die Idee einer Team-Charta, die partizipativ in einem Team erarbeitet wird und Klarheit über Ziele, Rollen und Regeln der Zusammenarbeit schafft.  

Porträt von Lena Brinkmann und Jens Hoge. Beide sitzen in einem freundlich gestalteten Raum neben einem Flipchart.

Unsere Interviewpartner:innen: Lena Brinkmann und Jens Hoge. Bild: LWL

Die Team-Charta ist seitdem gereift und wird in verschiedenen Teams des LWL eingesetzt. Lena Brinkmann (mittlerweile Team „OE-Strategie & Projektmanagement“) und Jens Hoge (mittlerweile Team „OE-Transformation & Innovation“) haben uns ihre Erfahrungen mit dem Instrument vorgestellt und teilen sie hier gern mit euch.

Die Vorlage der Team-Charta steht am Ende des Beitrags zum Download bereit!

Auf einer Folie sind die folgenden Fragen beantwortet: Was ist eine Team-Charta? Welchen Zweck erfüllt die Team-Charta? Wie funktioniert die Team-Charta?

Überblick zur Team-Charta. Quelle: LWL

Wozu eine Team-Charta?

Zusammenarbeit braucht Klarheit. In einem hierarchischen System wird diese Klarheit durch die Führungskraft hergestellt. Sie liefert Leitlinien und Regeln dazu, wie gearbeitet wird. Wer unsicher ist, eine Entscheidung braucht, wendet sich an die Chefin / den Chef. Zudem gibt es Dienstanweisungen, die hausweite Regeln für die Zusammenarbeit vorgeben.

Folie mit der Überschrift "Die Welt wird immer komplexer". Es geht um die Veränderung der Arbeit in der VUCA-Welt.

Neue Arbeit erfordert andere Formen von Vereinbarungen. Quelle: LWL

Durch eine hohe Veränderungsdynamik und flexiblere Arbeitsformen stößt dieses Prinzip an Grenzen bzw. ergeben sich andere Anforderungen daran. Regeln für alle werden schnell immer komplizierter und dann doch nicht gelebt. Auch die Rolle von Führung verändert sich – von Anweisen und Kontrollieren zu Befähigen & Unterstützen. Viele Verwaltungen setzen deshalb zunehmend auf Eigenverantwortung und Selbstorganisation von Teams.

Mit der Entwicklung einer Team-Charta wird Teams die Verantwortung übertragen, Klarheit zu schaffen. „Es geht um die Frage: Was brauchen wir als Team, um gut zusammenzuarbeiten? Was sind die Regeln und Prinzipien, nach denen wir handeln wollen?“, so Jens Hoge. Hausweite Regeln geben dabei einen groben Rahmen vor (z.B. „70 % Homeoffice sind möglich“). In der Team-Charta werden diese für den Kontext des jeweiligen Teams konkretisiert und ergänzt (z.B. „Der Donnerstag ist unser gemeinsamer Präsenztag“).

Der Nutzen einer Team-Charta:

  • mehr Klarheit für die Zusammenarbeit
  • Vereinbarungen können auf die Erfordernisse des spezifischen Arbeitsfeldes abgestimmt werden
  • Erfordernisse des Aufgabenfeldes und Wünsche der Teammitglieder in eine gute Balance bringen
  • Qualität der Zusammenarbeit und ein gutes Arbeitsklima fördern (Stichwort Teamhygiene)
  • das Team übernimmt Verantwortung und einen Teil von Führung
  • Konflikten vorbeugen
  • hilfreiches Nachschlagewerk für neue Mitarbeiter:innen

Die Team-Charta des LWL

Die Team-Charta besteht aus verschiedenen Abschnitten zu den relevanten Feldern von Zusammenarbeit. Darin geht es zum Beispiel darum…

  • … Anwesenheiten, Arbeitstage und -orte der Teammitglieder festzuhalten,
  • … Werte und Prinzipien der gemeinsamen Arbeit zu vereinbaren,
  • … Erreichbarkeit und Kommunikation zu klären,
  • … regelmäßige Meetings im Überblick zu behalten und Rollen und Regeln dafür zu definieren,
  • … die flexible Nutzung von Arbeitsplätzen abzustimmen,
  • … das Wissens- und Dokumentenmanagement zu vereinheitlichen.

Folie mit dem Inhaltsverzeichnis der Team-Charta: 1. Nutzung des Flexiblen Arbeitsplatzes 2. Gemeinsame- und Selbstverantwortung 3. Erreichbarkeit und Kommunikation 4. Meetings 5. Ausstattung 6. Büro- und Flächennutzungskonzept 7. Wissens- u. Dokumentenmanagement 8. Sonstige Regelungen und Erwartungen

Zu jedem Abschnitt sind die Aspekte auflistet, die für die in diesem Kontext erfahrungsgemäß Absprachen hilfreich sein könnten. An diesen Aspekten kann sich das Team bei der Erarbeitung entlanghangeln.

Beispiel für eine ausgefüllte Folie zum Abschnitt „Nutzung des flexiblen Arbeitsplatzes“.

Beispiel für eine ausgefüllte Folie zum Abschnitt „Nutzung des flexiblen Arbeitsplatzes“. Quelle: LWL

Beispiel für eine ausgefüllte Folie zum Abschnitt „regelmäßige Meetings".

Beispiel für eine Meeting-Übersicht. Quelle: LWL

Die Idee ist nicht, sämtliche Inhalte und alle Impulse Schritt für Schritt abzuarbeiten. Vielmehr sollen die Teams individuell und eigenverantwortlich entscheiden, welche Arbeitsfelder und welche Teilaspekte und Impulse dazu für sie relevant sind.

Folie "Entwicklung einer Team-Charta". Beschrieben ist eine Vorgehensweise entlang der Fragen Was? Wer? Wann? Wie häufig?

Entwicklung einer Team-Charta im Überblick. Quelle: LWL

Erarbeitung einer Team-Charta

Nachdem das Team der Organisationsentwicklung gute Erfahrungen mit der Team-Charta gesammelt hatte, veröffentlichte sie diese als Vorlage im LWL-Intranet – gemeinsam mit dem Angebot, Teams bei der Einführung zu unterstützen.

Bewährt hat sich ein 2-3-stündiges Workshopformat, in dem ein Team für sich das Grundgerüst der Team-Charta entwickelt. Das Team füllt darauf basierend einen Prototypen seiner Team-Charta aus, probiert diesen in der täglichen Arbeit aus und entwickelt die Team-Charta iterativ weiter.

Der konkrete Ablauf eines solchen Workshops:

  • Das Team sammelt Herausforderungen in der Zusammenarbeit.
  • Es werden Ideen entwickelt, um diese Herausforderungen anzugehen.
  • Die Ideen werden anschließend hinsichtlich Wirkung und Aufwand bewertet: Das Team positioniert die Ideen-Zettel dazu in einem Koordinatensystem zunächst auf der y-Achse (geringe Wirkung – starke Wirkung) und dann auf der x-Achse (geringer Aufwand – hoher Aufwand).
  • Die Ideen werden entlang der Team-Charta in konkrete Vereinbarungen überführt.
  • In einer „Tatenmatrix“ (Was? Wer? Bis wann?) werden weitere Schritte zum Aufbau und der Weiterentwicklung der Team-Charta festgehalten.
Folie "Vorgehen zur Entwicklung einer Team-Charta". Beschrieben ist das Vorgehen in 5 Schritten:1. Sammeln von Herausforderungen 2. Sammeln von ersten Ideen 3. Wirkungsgrad 4. Aufwand 5. Entwicklung von Regeln

Workshop-Ablauf zur Entwicklung einer Team-Charta. Quelle: LWL

Auch wenn wir oben exemplarisch zwei ausgefüllte Folien des OE-Teams abgebildet haben – in den Workshops passiert das in der Regel nicht: „Die Teams bekommen von uns ein Template ohne Inhalte und wir regen an: Macht zunächst euren Aufschlag. Regeln, die uns geholfen haben, müssen nicht unbedingt zu euch passen. Ihr entwickelt eure Regeln. Fangt am besten mit den größten Bauchschmerzen an und findet dafür Lösungen. Der Rest kann sich später entwickeln“, erläutert Jens Hoge.

Es braucht Disziplin, damit die Team-Charta im Alltag gelebt und laufend an die Erfordernisse des Teams angepasst wird. Dafür hat sich bewährt, die Rolle eines Kümmerers zu etablieren. „Eine Team-Charta ist ein dauerhafter Prototyp. Manchmal regelt man Dinge, die man im Alltag eigentlich nicht braucht. Die schmeißt man dann wieder raus. Manchmal poppen neue Probleme auf, zu denen es Vereinbarungen braucht. Dafür braucht es jemanden, der die Fahne hochhält und immer wieder an die Team-Charta erinnert“.

Team-Charta und Retrospektiven ergänzen sich sehr gut. „Wir machen in unserem Team regelmäßige Retrospektiven zur Zusammenarbeit. Resultieren daraus neue Vereinbarungen, werden diese direkt in der Team-Charta ergänzt“, schildert Jens Hoge. Einerseits ist es durch die Team-Charta leichter, die Ergebnisse von Retrospektiven in den Alltag zu überführen – und andererseits bieten die Retrospektiven regelmäßig eine Gelegenheit, die Team-Charta auf den Prüfstand zu stellen und zu aktualisieren.

Zu sehen ist eine Fensterfront, auf der bunte Zettel in einem Koordinatensystem eingeordnet sind. Auf der x-Achse die Skala kein Aufwand - großer Aufwand. Auf der y-Achse keine Wirkung - große Wirkung

Erarbeitung von Ideen für eine Team-Charta. Quelle: LWL

Erfahrungen mit der Team-Charta

Das mobile Arbeiten ist ein häufiger Anlass für die Erarbeitung einer Team-Charta. „Nach Corona war allen klar: Es wird nicht mehr so wie vorher. Es ist für jedes Team eine Herausforderung, zu einem neuen Miteinander zu finden. Der Bedarf, sich individuell zu verständigen, ist groß. Der grobe Rahmen, der durch formale Regelungen wie zum Beispiel Dienstvereinbarungen gesetzt wird, reicht für die Zusammenarbeit im Team nicht immer aus“, so Lena Brinkmann. Die Team-Charta hilft beim Aushandeln von individuellen Bedürfnissen und dem, was die Arbeitsaufgabe erfordert und das Team braucht, um gut zu arbeiten. Und sie ist eine gute Gelegenheit, um die Qualität der Arbeit zu verbessern, zum Beispiel durch gute Meetingformate und Raum für sozialen Austausch. Die Team-Charta kann außerdem helfen, den Mix aus Arbeit im Homeoffice sowie Arbeit am Dienstort attraktiv zu gestalten. .

Anlass für den Aufbau und die Weiterentwicklung einer Team-Charta sollten keine personenbezogenen Konflikte sein. „Die Team-Charta ist kein Instrument, mit dem wir Konflikte lösen. Aber wohl ein Instrument zur Konfliktprävention. Es legitimiert und erleichtert, Dinge frühzeitig und niederschwellig anzusprechen – zum Beispiel, wenn ein Schreibtisch nicht wie vereinbart hinterlassen wird“, so Jens Hoge.

Lena Brinkmann verweist auf einen weiteren Effekt: „Die Erarbeitung der Team-Charta an sich ist bereits ein Veränderungsprozess und wirkt sich positiv auf das Teamklima aus. Das Team arbeitet iterativ, partizipativ, auf Augenhöhe und übernimmt gemeinsam Verantwortung. So werden agile Arbeitsweisen und ein agiles Mindset erlebbar.“

„Durch die Team-Charta wurde bei uns auch ein Kulturwandel angestoßen, dass es gut und wichtig ist, über die Zusammenarbeit zu sprechen. Wir müssen uns auch mit uns selbst beschäftigen, damit wir gut wirken können“, ergänzt Jens Hoge.

Und er weist auf die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten hin: „Die Team-Charta kann man zum Beispiel auch nutzen, um die Vereinbarungen in einem Projektteam zu klären. Nach dem Motto: Wir sitzen in den nächsten zwei Jahren regelmäßig zusammen, dann lass uns doch zu Beginn darüber sprechen, wie wir zusammenarbeiten möchten. Und sie hat sich als hilfreiches Nachschlagewerk bei der Einarbeitung neuer Kolleg:innen bewährt. Sie können sich schon mal anschauen: Wer sind die Kolleg:innen? Worauf wird hier Wert gelegt? Wie laufen die Meetings ab?“

Das Resümee der beiden: „Die Team-Charta ist mit wenig Aufwand zu entwickeln, hat aber eine große Wirkung auf die Zusammenarbeit im Team. Wir können nur jedem Team empfehlen, sich dafür Zeit zu nehmen!“

Wir wissen, dass es auch in anderen Verwaltungen ähnliche Instrumente gibt (teilweise unter anderen Namen wie „Team-Vereinbarungen“ o. ä.), in manchen Verwaltungen auch schon lange vor Corona etabliert. Was uns an dem Ansatz des LWL besonders gefallen hat:

  • Dass die Team-Charta von dem OE-Team zunächst am eigenen Leib entwickelt und erprobt wurde.
  • Das begleitende Workshop-Angebot, das entsprechend von den eigenen Erfahrungen genährt ist.
  • Der partizipative Ansatz, mit dem die Eigenverantwortung und Selbstorganisation der Teams gestärkt
  • Der iterative Ansatz: Die Team-Charta nicht in einem einmaligen Kraftakt vollständig und endgültig zu befüllen. Sondern sie eher alltagsbegleitend zu sehen und sukzessive weiterzuentwickeln.
  • Dass der LWL als große Behörde Raum für freies Denken und Arbeiten gibt und die Menschen eigenverantwortlich wirken lässt.
  • Und schließlich auch das Powerpoint-Format: So kann die Team-Charta einfach an die eigenen Anforderungen angepasst werden und auch in anderen Kontexten wie in gemischten Teams oder bei der Teamarbeit in Projekten eingesetzt werden. Man kann sie bei der gemeinsamen Erarbeitung per Beamer an die Wand werfen, und die „natürliche Begrenzung“ von einer Folie je Abschnitt bewahrt davor, zu viel und zu ausführlich zu regeln.

Für Teams in anderen Verwaltungen, die Lust bekommen haben, selbst eine Team-Charta zu erarbeiten, stellt der LWL hier freundlicherweise zur Inspiration seine Vorlage bereit (ein Klick auf die Folie startet den Download). Vielen Dank dafür!

Titelfolie der Team-Charta-Vorlage

Quelle: LWL

 

Übrigens: Wer wissen möchte, was der LWL noch so in Sachen „Neues Arbeiten“ treibt, dem empfehlen wir als Einstieg diese Seite: https://www.karriere.lwl.org/de/der-lwl-als-arbeitgeber/new-work/.

Dort findet ihr unten auch die Kontaktdaten von Lena Brinkmann und Jens Hoge.Screenshot der LWL-Website - Seite "Neues Arbeiten im LWL". Zu sehen ist das verschwommene Bild eines Buches und bunter Klebezettel und davor Scrabble-Buchstaben, die die Worte "New Work" bilden.

 

 

2 Kommentare

  1. Tanja Scholz sagt:

    Herzlichen Dank für das Teilen und die Veröffentlichung eurer Folien. Welch ein wertvoller Impuls! Er gibt tolle Anregungen für Teamenwicklungsformate und Impulse für FKs zum Thema Teamentwicklung!

  2. Klasse Beitrag, der Mut macht, wie neue Arbeit in der Verwaltung gelingen kann. Danke für s Teilen und weiter viel Erfolg.

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