„Ups– mein Team ist weg!“ Dieser Gedanke hat vielleicht den einen oder die andere von Ihnen in den letzten Wochen öfter durchzuckt. Natürlich wissen Sie, dass Ihr Team nicht „weg“ ist. Stattdessen arbeiten alle nur anderswo: viele im Homeoffice, wenige im Büro, manche mobil an unterschiedlichen Orten. Oder zu einer anderen Zeit. Auf jeden Fall ohne die vielen Begegnungen im Alltag. Das ist schon anders als sonst. Sie tragen mit Ihrem Team aber nach wie vor die Verantwortung dafür, dass „der Laden läuft“, ob Ihre Mitarbeitenden nun sichtbar auf demselben Flur arbeiten oder unsichtbar übers Netz verbunden sind.
Corona hat die Zusammenarbeit auf Distanz „verordnet“, ohne Widerworte zuzulassen. Auch wenn sich der Arbeitsalltag vielleicht inzwischen eingeruckelt hat, stellen sich doch viele Fragen: Was verändert sich für Sie in der gemeinsamen Arbeit mit Ihrem Team durch die räumliche Verteilung – in der noch vor uns liegenden „Corona-Zeit“ oder auch danach? Was nehmen Sie vom Schwung der Krisenzeit mit, was hat zu viel Kraft gekostet, was sollte besser noch einmal auf den Prüfstand? Denn absehbar ist, dass Arbeiten an unterschiedlichen Orten vielleicht wieder zurückgefahren, aber keinesfalls mehr auf dem Stand von „damals, vor Corona“ landen wird. Dass eine freiere Wahl des Arbeitsplatzes zur Selbstverständlichkeit wird. Und das heißt: Dass Sie Ihre Art der Teamleitung anpassen müssen.
In der Corona-Krise erfordert „Führen auf Distanz“ in vielen Fällen eine gehörige Portion Improvisation. Das „Homeoffice“ wurde oft ad hoc eingerichtet, nicht geplant: In vielen Verwaltungen fehlen Laptops und VPN-Zugänge, die Mitarbeitenden haben sich darauf nicht eingestellt, eine gute Selbstorganisation entsteht erst nach und nach. Und viele leisten noch den Spagat mit der parallelen Kinderbetreuung. Hier gilt also umso mehr: „Wege entstehen beim Gehen.“ Es braucht Nachsicht, Geduld, aber auch Hartnäckigkeit, unter nicht wegzudiskutierenden schwierigen Rahmenbedingungen trotzdem noch gute Wege zu finden.
Ich greife in diesem Beitrag einige Herausforderungen für das „Führen auf Distanz“ heraus, die mir in der aktuellen Krisen-Situation besonders häufig begegnen:
- Medien als Brücke nutzen
- Die fehlende „Beiläufigkeit“ kompensieren
- Als Team ein Team bleiben – auch wenn man sich nicht sieht
- Sich als Teamleitung vom Kontrollbedürfnis verabschieden
- Umgehen mit „Homeoffice-Kompetenz“ und möglicher Überforderung
- Nach der Krise (1): Rahmen für persönliche Treffen setzen
- Nach der Krise (2): Team-Check – gemeinsame Verantwortung entwickeln
Wer sich später noch intensiver mit dem Thema befassen möchte, wird z.B. hier fündig [1].
Medien als Brücke nutzen
Weil gemeinsame persönliche Treffen nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich sind, brauchen Sie Medien als „Brückentechnologie“, über die Kommunikation und Zusammenarbeit möglich ist. Um Nähe, Besprechungen oder Aufgaben-Boards auch auf Distanz zu ermöglichen. Und Sie brauchen Vereinbarungen zur Nutzung dieser Medien. Dazu kann ich mich kurzfassen: Was Sie hier überlegen, abwägen und verabreden sollten, haben wir ausführlich in unseren beiden vorigen Beiträgen aus der Reihe „Mediengestützte Zusammenarbeit in der Verwaltung“ beschrieben:
Teil 1: Orientierung im Tool-Dschungel
Teil 2: Warum die technische Lösung allein noch nicht die Lösung ist
Die fehlende „Beiläufigkeit“ kompensieren
Aufmerksame Führungskräfte bekommen eine Menge mit, ohne dass ihnen explizit berichtet wird. Aus einer Geräuschkulisse wird klar, dass sich Stress zusammenbraut, eine kurze Bemerkung zwischen Kolleg*innen zeigt, dass jemand einen anderen Weg einschlägt als Sie dachten, dass vereinbart war. Ein knappes „Morgen!“ verrät, dass einem Mitarbeiter die sonstige Fröhlichkeit abhandengekommen ist.
Diese Beiläufigkeit in der Wahrnehmung schafft für unsere Zusammenarbeit ein so wichtiges „kommunikatives Polster“, d.h. es findet mehr Information und Wahrnehmung statt, als jemand gerade explizit erfragt oder gesagt hat – das hilft uns gegenseitig, unser Handeln aufeinander abzustimmen. So manche „Nebenbei-Beobachtung“ hilft mir gar nicht unmittelbar in diesem Moment, aber am nächsten Tag, weil ich z.B. dadurch eine irritierende Situation einordnen kann.
Viele Führungskräfte steuern auch genauso beiläufig nach – nicht nur in der offiziellen Teambesprechung, sondern in vielen kleinen Situationen im Alltag: Indem sie nach einer Rücksprache zu einer Fachfrage noch ein „Ach, übrigens …“ anschließen. Auf dem gemeinsamen Weg zu einer Besprechung im Kreishaus etwas Persönliches ansprechen. Einem Kollegen einen kleinen Hinweis aus der Bereichsleiterkonferenz geben und mit ihm dadurch indirekt noch mal die Zielrichtung fürs Projekt schärfen, ohne ihn „förmlich“ zu korrigieren.
„Auf Distanz“ fehlt diese Beiläufigkeit mit ihrem kommunikativen Polster. Und Interventionen werden notgedrungen expliziter. Statt „ach, übrigens“ am Ende einer Rücksprache zu einem Fachvorgang greifen Sie jetzt zum Telefon – oder überlegen, ob Sie greifen – oder nicht … Es ist ein größerer „Akt“. Das wird umso mehr zur Herausforderung, wenn Sie zu den Führungspersonen gehören, die eher „leise“, unaufdringlich, fast nebenbei steuern, Feedback geben, anregen, nachkalibrieren – also bei kleinen Begegnungen, Zufälle nutzend …
Deshalb muss ich mir als Teamleitung überlegen, wie ich diese Beiläufigkeit auch im „Distanz-Alltag“ herstellen kann. Einige Beispiele:
- Routinen für beiläufige Begegnungen und regelmäßigen „Kontakt ohne Anlass“ schaffen. Z.B. indem es zur Gewohnheit wird, dass Sie im Laufe der Woche bei allen Homeoffice-Kolleg*innen mal anrufen und nachhören, wie es läuft. So kurz und selbstverständlich, wie sonst bei den Gesprächen, wenn Sie mal eben den Kopf in die Tür stecken. Dann lässt sich auch hier gut ein „ach, übrigens“ einbauen. Damit bei diesen Gesprächen nicht immer wieder die gleichen Themen und Fragen auftauchen, die Sie besser im Team besprechen könnten, sollte das „Durchbimmeln“ nicht kurz vor der (wöchentlichen?) Teambesprechung geschehen.
- Beiläufig über eigene Aktivitäten informieren und so anderen die Gelegenheit geben, anzudocken. Wenn Sie am Nachmittag eine Besprechung in der Bezirksregierung haben, können Sie am späten Vormittag noch mal kurz eine Info per Mail oder Messenger versenden: „Bin ja heute Nachmittag beim RP – wer noch was hat, bitte gern bis mittags kurz melden.“ Wenn nicht sowieso Ihr Terminkalender vom Team einsehbar ist.
- Geben Sie Ihrem Bauchgefühl nach, wenn Sie nicht genügend „kommunikatives Polster“ erleben: Gestern musste Kollege Berger nach der Projektbesprechung recht schnell weg, arbeitet jetzt 3 Tage im Homeoffice. Ihnen geht durch den Kopf, dass Sie nicht sicher sind, ob er neben dem Sachauftrag auch die Intention dazu gut mitbekommen hat. Er neigt nach Ihrer Erfahrung auch dazu, gern größere Ausarbeitungen zu erstellen als gerade hier nötig … Hm – sollten Sie ihn anrufen? Aber Sie wollen Ihn natürlich auch nicht kontrollieren wie einen Auszubildenden. Also legen Sie den Hörer wieder auf. Meine Empfehlung: Rufen Sie ihn ruhig an, wenn es Ihnen eh nicht aus dem Kopf geht. Sprechen Sie Ihre eigene Unsicherheit ganz direkt an – und auch, dass das eben ein typisches „Auf Distanz-Phänomen“ ist. Und dann schärfen Sie beide noch mal kurz das gemeinsame Verständnis zum gestrigen Auftrag.
Welche Gepflogenheiten hilfreich sind, hängt natürlich auch davon ab, ob jemand zum überwiegenden Zeitanteil im Homeoffice arbeitet oder nur an einem Tag – und an den übrigen 4 Arbeitstagen pro Woche auf demselben Flur wie Sie, mit vielen beiläufigen Begegnungen, die Sie weiter für Ihr „leises“ Führen nutzen können.
Als Team ein Team bleiben – auch wenn man sich nicht sieht
Vielleicht gehören Sie zu den Führungskräften, die schon sehr bewusst den Weg verfolgen, mehr Verantwortung ins Team zu delegieren. Die mit Freude erleben, dass ihr Team inzwischen sehr vieles selbst organisiert, sich die Kolleg*innen gegenseitig stützen und die immer häufiger hören: „Nur dass Sie kurz Bescheid wissen, … haben wir schon geregelt.“
Diese Errungenschaften sind leider bei der Teamarbeit auf Distanz gefährdet – wenn Sie sie nicht gezielt im Blick behalten. Insbesondere, wenn Sie viele Spezialist*innen haben, die schon in der Arbeit vor Ort in der Verwaltung über weite Strecken nebeneinander her ihre Aufgaben bearbeiten. Wenn nun auch noch die beiläufigen kollegialen Kontakte abhandenkommen (beim Kaffeekochen „Äh, sag mal, hattest du auch schon mal den Fall …?“), dann schleicht sich gern ein, dass man an Problemen lieber lange selbst herumdoktert. Oder eher wieder auf „den Chef / die Chefin“ zurückgreift. Manchmal den Kontakt sogar darauf begrenzt und ansonsten immer mehr zum „einsamen Satelliten“ wird.
Es ist schade, wenn damit Teamarbeit und Teamgeist verloren gehen. Deshalb sollten Sie der Gefährdung aktiv entgegenwirken, dass sich eine effektive Netzstruktur Ihres Teams zu einer Sternstruktur mit Ihnen als „Kommunikations-Nabe“ zurückentwickelt.
Wo können Sie zum Beispiel Gepflogenheiten aus der gemeinsamen Bürozeit auch in die räumliche Verteilung übertragen? Wenn sich bei Ihnen eingebürgert hat, sich gegen 10 h bei einem Kaffee oder Tee kurz zu treffen, auszutauschen, wer gerade woran arbeitet, wer Unterstützung braucht, was sonst noch so ansteht, können Sie das auch in der räumlichen Verteilung praktizieren. Sofern technisch möglich, mit einer kurzen Videokonferenz, ansonsten per Telefonkonferenz. Wenn Sie nicht nur räumlich, sondern auch zeitlich verteilt arbeiten, dann lohnt es sich, eine Überlappungszeit zu reservieren, in der sich alle, auch die, die ihre Kinder zuhause beschulen, zu einem solchen Treffen dazuschalten können. Das muss auch nicht täglich sein. Vielleicht reicht ein Treffen am Montag, bei dem alle gleich einen gemeinsamen Blick auf die Woche bekommen.
Und wenn es ein solches Ritual noch nicht gibt, ist jetzt vielleicht ein guter Zeitpunkt, um es einzuführen?
Einige Teams etablieren neben solchen aufgabenbezogenen Treffen auch informelle Begegnungspunkte – als Ersatz etwa für gemeinsame Mittagessen. Wer mag, schaltet sich mit seinem Snack per Videokonferenz (oder auch telefonisch) zur „virtuellen Mittagspause“ dazu. Gerade in der Krisenzeit ist das auch eine gute Gelegenheit, den persönlichen Austauschbedarf zu stillen und einem Gefühl von Vereinsamung im Homeoffice entgegenzuwirken.
Damit auch spontane Absprachen und bilateraler Austausch jenseits solcher Fixpunkte unkompliziert möglich sind, braucht es Absprachen zu Erreichbarkeit und Verlässlichkeit der verteilt arbeitenden Teammitglieder. Davon war schon im vorhergehenden Blogbeitrag die Rede. Je eher Sprechzeiten abzudecken sind, je öfter der kurze Draht zwischen den Sachbearbeitungen notwendig ist, braucht es sehr feste und längerfristig absehbare klare Arbeitszeiten auch aller im Homeoffice Arbeitenden. Je weniger das notwendig ist, desto mehr Freiheit kann es für Einzelne geben. Worauf Sie aber immer bestehen sollten, für sich und auch für den Kontakt im Team: Transparenz, damit die Kolleg*innen erreichbar sind – und präsent im Kopf. Die können Sie über gegenseitig freigegebene und aktuell gehaltene digitale Kalender erreichen. Oder auch über einen Wochenplan, den Sie entweder ausgedruckt oder auf dem Desktop abgelegt haben: Wer ist in welchem Zeitraum wann und wo erreichbar?
Das Thema „Wie bleiben wir ein Team, auch wenn wir uns nicht immer sehen?“ sollten Sie also durchaus im Team zum Thema machen. Auch zu einem anderen Aspekt übrigens: Wie sprechen wir über uns als „verteiltes Team“? Bei meiner Frage „Kann ich bitte Frau X sprechen?“ erhalte ich nicht selten die Antwort: „Die ist morgen wieder da.“ Dabei war Frau X durchaus „da“ – nur eben nicht im „Verwaltungs-Office“, sondern im Homeoffice. Das „nicht da“ ist in unseren Köpfen so sehr mit „physisch präsent“ verknüpft, dass wir uns bewusst ein anderes Verständnis und andere Formulierungen angewöhnen müssen. Verbunden damit: Wie leicht nehmen wir als Teamkolleg*innen mit unserer Homeoffice-Kollegin Kontakt auf? Hoffentlich genauso leicht und unkompliziert wie sonst, wenn sie im Büro auf dem Nachbarflur arbeitet.
Sich als Teamleitung vom Kontrollbedürfnis verabschieden
Grundsätzlich ändern sich Ihre Führungsaufgaben nicht: „Führen heißt: Gegebene Kräfte und Ressourcen auf klar umschriebene Ziele hin bündeln, organisieren und dadurch wirkungsvoll einsetzen. Die an einer Aufgabe beteiligten Menschen dafür gewinnen, ihre persönlichen Fähigkeiten in den Dienst der gemeinsamen Aufgabe zu stellen. Dies alles auch sich selbst gegenüber befolgen.“ Das hat sich kaum geändert, seit Paula Lotmar und Edmund Tondeur 1991 diese praxisnahe Formulierung aufschrieben [2].
Die entscheidende Frage ist, wie Sie sie wahrnehmen. Wenn ich in Seminaren Führungskräfte befrage, was Ihre Sorgen angesichts des Arbeitssettings „auf Distanz“ ist, rangiert „Kontrollverlust“ ganz oben: „Ich weiß nicht / bin unsicher / frage mich, ob und was da wirklich gearbeitet wird.“ Glücklicherweise gibt es fast immer eine Kolleg*in, die grinsend ironisch erwidert: „Tja – und das ist doch ganz anders hier auf dem Fachbereichsflur – da wissen wir ja immer genau, was in jedem Büro passiert, oder?“ Und dann entspinnt sich ein intensives Gespräch über Führen mit Vertrauensvorschuss und Konzentration auf Arbeitsergebnisse. Und natürlich auch über den nötigen Mut, hartnäckig in die Auseinandersetzung zu gehen, wenn man als Teamleitung den Eindruck gewinnt, dass Qualität und Quantität des Arbeitsergebnisses in keinem guten Verhältnis zur investierten Zeit stehen.
Weniger „Micromanagement“ ist das Gebot der Stunde. Das ist allerdings leichter gesagt als getan. Hier hilft nur der Dialog mit den Mitarbeitenden: Gute und klare „Auftragsvergaben“, klären, an welchen Stellen er/sie tatsächlich Rückkopplung und Unterstützung braucht. Sich sehr konkret dazu verabreden und diese Verabredung dann auch einzuhalten. Bei erfahrenen Mitarbeitenden endet das bei „Schicken Sie es mir, wenn Sie es fertig haben“, bei noch berufsjungen Mitarbeitenden geht’s eher stufenweise „Wir sprechen über Ihren Entwurf, schauen gemeinsam drüber, und danach …“ In den Rückkopplungsgesprächen helfen Fragen wie „Wie sind Sie vorgegangen? Was war Ihnen besonders wichtig …? Mich würde interessieren, warum Sie so ausführlich… und nicht auf … eingegangen sind“, etwas von der Arbeitsweise, den handlungsleitenden Gedanken und der Selbstorganisationskompetenz Ihrer Mitarbeitenden mitzubekommen und ggf. mit entsprechenden Erfahrungen und Tipps zu unterstützen bzw. Unterstützung im Team zu organisieren.
Im Fazit heißt das: Wenn Sie unsicher sind, wie gut die Arbeit im Homeoffice funktioniert, dürfen Sie sich Sicherheit verschaffen. „Echolot-Verhalten“ nenne ich das manchmal: Nach Bedarf Signale aussenden, die Resonanz darauf gibt Aufschluss. Aber tun Sie das offen, auf Augenhöhe, im Dialog.
Hier sei auch noch mal auf unseren Blogbeitrag zum Delegation Board verwiesen.
Umgehen mit „Homeoffice-Kompetenz“ und möglicher Überforderung
In der Corona-Krise war für viele das „Ab ins Homeoffice“ keine Frage, sobald die technischen Voraussetzungen einigermaßen geklärt waren. Langfristig stellt sich jetzt für viele Verwaltungen die Frage: Wie wollen wir damit weiter umgehen? Die Krise hat ja gezeigt: Es geht viel mehr, als viele je dachten.
Wie viel Homeoffice / mobiles Arbeiten langfristig möglich und sinnvoll ist, hängt natürlich zunächst von der Art der Aufgabe ab: Verlangt sie persönliche Präsenz oder nicht?
Früher oder später kommt es aber auch zur Gretchenfrage: Ist ein konkreter Mitarbeiter in der Lage, im Homeoffice erfolgreich zu arbeiten? Kann er sich selbst genügend gut organisieren? Absprachen auch auf Distanz verbindlich einhalten? Verfügt er über genügend Medienkompetenz, um seine Arbeit auch effizient zu erledigen?
Zunächst gilt: Vertrauensvorschuss. Räumen Sie den Teammitgliedern eine Gewöhnungszeit ein, um sich in der Homeoffice-Arbeit zu organisieren – von der Arbeitstaktung, der Verknüpfung und Abgrenzung zum häuslich-familiären Umfeld bis hin zu einer gewissen Eigenständigkeit im Umgang mit elektronischen Arbeitsmitteln usw.
Aber es gilt auch, nicht zu kneifen vor der Auseinandersetzung, wenn die individuelle Leistung quantitativ oder qualitativ zu gering ist. Wenn jemand mit der Homeoffice Situation nicht zurechtkommt, weil der Rahmen „Büro“ fehlt und jemand nicht schafft, sich selbst diesen Rahmen herzustellen.
Manche Verwaltungen haben diese Prüffrage zu Recht schon in den Katalog der Voraussetzungen zur Telearbeit aufgenommen. Sie „zwingen“ damit die Führungskräfte im Verfahren, sich darüber klar zu werden. Und in die offene Aussprache zu gehen.
Der Tenor muss ja gar nicht sein: „Für Sie kommt das überhaupt nicht in Frage.“ Wohl aber: „Homeoffice setzt voraus, dass … Das erlebe ich bei Ihnen bisher nicht.“ Und dann kann man ein gestuftes Verfahren aus Unterstützung bis hin zum Bedingungen-Setzen verabreden: „Homeoffice wird für Sie möglich sein, wenn ….“ und dann schrittweise erproben, dass die notwendigen Selbststeuerungs- oder auch Fachkompetenzen erworben und praktiziert werden. Schon im Büro.
Abschließend sei noch auf eine Gefährdung aufmerksam gemacht, die besonders tatkräftige, dem Team sehr verbundene Teamleitungen erwischt, wenn sie viele „mobile“ und vielleicht zusätzlich noch teilzeitarbeitende Mitarbeitende haben: Passen Sie auf, dass Sie nicht „Mädchen für alles“ werden: (Informationsdrehscheibe, Telefonzentrale, …). Setzen Sie für sich auch zeitliche Grenzen und machen Sie sie transparent. Auch wenn Ihren Mitarbeitenden ggf. großzügige Arbeitszeit-Spannen ermöglicht werden (in Corona-Zeiten mitunter 06 – 22 h), müssen Sie nicht in diesem gesamten Zeitraum erreichbar sein.
Vielleicht kennen Sie die Forschungsergebnisse, dass Telearbeit / Homeoffice oft die Gefahr der Selbstausbeutung und Ausdehnung des „Allzeit-ansprechbar-Sein“ birgt. Haben Sie das für Ihr Team im Blick (zu welchen Zeiten werden Mails verschickt?), aber genauso für sich selbst.
Nach der Krise (1): Rahmen für persönliche Treffen setzen
Obwohl mediengestützte Besprechungen inzwischen gut möglich geworden sind (wenn auch die technische Grundausstattung manchmal noch einen Strich durch die Rechnung macht): Persönliche Begegnung ist nicht zu ersetzen, sie muss auch bei arbeitsteiliger Arbeit sein, um Grundsätzliches, Verknüpfendes, Überfachliches, neue Herausforderungen miteinander zu klären, abzustimmen, weiterzuentwickeln. Solange Kontaktbeschränkungen das verhindern, geht es nicht, klar. Aber ich lege es Ihnen nahe, dass Sie das für die Zeit danach im Blick haben: Gemeinsame Präsenztage sollten Sie als Pflock setzen. Für viele Teams passt 1 pro Woche.
Manche Verwaltungen waren bei der Gewährung von Homeoffice /Telearbeit sehr großzügig und haben alle Wünsche nach „Lieblingstagen“ gewährt. Mit dem Ergebnis, dass es in manchem Team kein einziges gemeinsames Zeitfenster mehr gibt.
Da hilft nur eins: Mit allen Beteiligten einen Weg dorthin entwickeln. Indem einzelne ihre freien Tage tauschen –nicht von heute auf morgen, aber mit etwas Vorlauf schon. Oder indem Teammitglieder zusagen, einmal im Monat zur Teamkonferenz am Mittwochvormittag zu kommen, wenn sie ansonsten bei ihrem Homeoffice-Tag Mittwoch bleiben können. Oder indem freizügige Regelungen auch zurückgenommen werden. Sie fühlen sich an Aushandlungen mit Teilzeit-Mitarbeitenden erinnert? Ja, es ist dieselbe Herausforderung: eine Balance zu finden zwischen den Anforderungen der Organisation und persönlichen Wünschen und Lebensentwürfen.
„So ein gemeinsamer Tag, das geht bei uns nicht mehr, wir haben gar nicht mehr genug Schreibtische für alle“, höre ich manchmal. Hier sei der Blick darauf gelenkt, was der Zweck eines solchen gemeinsamen Präsenztags ist. Es geht nämlich nicht darum, dass dann vor Ort im Büro das gearbeitet wird, was man auch gut im Homeoffice erledigen kann. Sondern dieser Tag ist zu nutzen für das, was Präsenz braucht, also persönliche Begegnung und reiche Kommunikation: Sich gegenseitig beraten, Erfahrungen austauschen, bedeutende Veränderungen diskutieren, Konflikte lösen, grundsätzliche Weichenstellungen miteinander entwickeln … Also ganz praktisch: Eine Teambesprechung ist Kern des Präsenztags. Vor oder nach dem gemeinsamen Teil lassen sich gut Besprechungen in unterschiedlichen Kombinationen verabreden (Teilteams, die sich regelmäßig abstimmen, ad-hoc-Gruppen für aktuelle Fragestellungen, …). Und in den Lücken dazwischen spontane Gespräche oder auch mal Einzelarbeit. Dafür sollten dann auch die Schreibtische reichen.
Nach der Krise (2): Team-Check – gemeinsame Verantwortung entwickeln
Spätestens, wenn es wieder möglich ist, lohnt sich, eine Teambesprechung für einen Hubschrauberblick zu nutzen: Was haben wir – vielleicht zunächst unfreiwillig – in der Krisenzeit ausprobiert, erprobt, gelernt? Welche (neuen) Muster in unserer Zusammenarbeit haben sich dabei entwickelt? Was davon war für die Sondersituation okay, taugt aber nicht auf Dauer? Was ist vielleicht auf der Strecke geblieben?
Und daraus dann eine Perspektive zu entwickeln: Was wollen wir beibehalten? Was wollen und müssen wir modifizieren, wieder mit alten Gewohnheiten verknüpfen? Wie viel Kontakt brauchen wir – z.B. auch, wenn wir nicht nur in der langjährigen Zusammensetzung arbeiten, sondern neue Kolleg*innen zu uns stoßen? Was verändert sich durch mehr Tele- oder mobile Arbeit?
Ihre Aufgabe als Führungskraft / Teamleitung ist es also, die jetzt verschiedeneren Arbeitssettings im Blick zu behalten. Und immer wieder auch im Team zu thematisieren, damit sich alle dran gewöhnen, die (teilweise) räumliche Verteilung mitzudenken. Damit sind die drei Fragen
- „Was erfordert unsere Aufgabe, was brauchen unsere Kund*innen/Bürger*innen?“
- „Was brauchen wir anderen als Kolleg*innen und Kooperationspartner*innen, um gut arbeiten zu können?“
- „Was sind die individuellen Wünsche nach mehr Freiheit in der Wahl des Arbeitssettings?“
nicht mehr nur Grundlage für eine Führungsentscheidung beim Antrag auf Homeoffice, sondern auch selbstverständliche Prüffragen eines Teams, das in gemeinsamer Verantwortung seinen Arbeitsalltag organisiert.
Und sich als Team ebenso auch Raum für Experimente verschafft, um Möglichkeiten auszuprobieren, Erfahrungen auszuwerten und je nach Ergebnis das Experiment zu verwerfen oder zur Routine zu machen.
Ihre Rolle als Führungskraft auf Distanz ist es, mit Blick auf die Besonderheiten der verschiedenen Arbeitssettings das zu tun, was auch sonst schon Ihre Aufgabe war, wenn Sie wie ich „Führen als Dienstleistung“ verstehen: Dafür sorgen, dass alle ihre Arbeit gut machen können. In diesem Falle eben auch: als räumlich verteiltes Team – überall.
[1] Viele Erfahrungen zum „Führen auf Distanz“ hat das synexa-Team schon vor einigen Jahren in einem Buch zusammengestellt: D. Herrmann, K. Hüneke, A. Rohrberg: Führung auf Distanz. Springer Gabler Verlag, 2012 (2., überarb. Aufl.)
[2] Lotmar, P./ E. Tondeur: Führen in sozialen Organisationen, Bern 1991
Großartige Impulse und hilfreiche Werkzeuge nicht nur für die stark angestiegene Home Office-Nutzung. Vielen Dank. Der Blog ist immer großartig.