Viele Verwaltungen haben in den letzten Jahren neue Rollen etabliert: Um große Veränderungen wie eine Strukturreform oder den digitalen und agilen Wandel im ganzen Haus zu verankern, wurden Mitarbeitende dazu qualifiziert, diese zu unterstützen – im Bewusstsein, dass solch gewichtige Veränderungen im laufenden Verwaltungsalltag ohne Hilfe kaum zu stemmen sind.
Was uns aufgefallen ist: Wann immer wir die Einführung solch einer internen Unterstützungsrolle begleitet haben oder uns mit Verwaltungskolleg:innen über diese neuen internen Rollen austauschen, begegnen uns immer wieder ähnliche Fragen und Herausforderungen:
- von der Auswahl geeigneter Mitarbeiter:innen
- über deren Qualifizierung und Rollenklärung
- bis hin zur Beauftragung und
- zu möglichen Rollenkonflikten.
In diesem Blogbeitrag stellen wir unsere Beobachtungen und Erfahrungen systematisch zusammen und leiten daraus praxisnahe Hinweise ab. Dazu beigetragen haben engagierte Kolleg:innen aus einigen Verwaltungen, in denen schon seit längerer Zeit interne Unterstützer:innen tätig sind oder waren.
Unser Ziel ist es, damit sowohl Verwaltungen, die solche Rollen neu einführen wollen, als auch jene, die bereits damit arbeiten und Stolperstellen erleben, zu unterstützen.
Wir möchten …
… den Sinn und Nutzen interner Unterstützungsrollen verdeutlichen,
… eine Übersicht verschiedener Arten und Ausprägungen der Rollen geben,
… beispielhaft Wege zu deren Qualifizierung und interner Vernetzung aufzeigen,
… mögliche Stolperstellen herausstellen – und Ansätze, um mit ihnen umzugehen.
Schon an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an unsere Interviewpartner:innen [1], die ihre Erfahrungen ausführlich und freigiebig eingebracht haben:
- Merle May und Jasmin Wiemers-Krüger, Stadt Bochum
- Stephan Bernoth, Stadt Moers
- Bernd Hitschler, Stadt Willich
… und danke auch an all die, die uns in den letzten Jahren in Austauschrunden oder durch veröffentlichte Berichte oder Beiträge in Communities an ihren Erfahrungen haben teilhaben lassen.
Was dieser Beitrag nicht leisten will und kann: Die einzelnen Rollenkonzepte in aller Tiefe darstellen. Und auch nicht: Eine systematische bundesweite Gesamtschau liefern.
Eine kleine Warnung: Der Beitrag ist trotzdem recht lang – wir machen’s eben gern konkret 😊 Damit Sie den langen Text nicht „ewig“ scrollend lesen müssen, stellen wir Ihnen diesen Beitrag auch als pdf zum Download zur Verfügung.
Interne UnterstützerInnen.pdf
Interne Unterstützungsrollen – Warum und Wozu?
Für die Umsetzung größerer Veränderungen fehlt es in Verwaltungen häufig an Zeit und Kompetenzen. Schnell wird dann der Ruf nach externer Beratung laut. Doch vielen Verwaltungen wird im Laufe von Veränderungsprozessen auch bewusst,
- dass Externe zwar sehr hilfreich sein können, um grundsätzliche Neuerungen (mit) anzustoßen, neue Arbeitsweisen zu vermitteln, auf interne „blinde Flecke“ aufmerksam zu machen und zu helfen, Konflikte und andere Hindernisse aus dem Weg zu räumen,
- dass aber ein dauerhafter Einsatz von Externen zur längerfristigen Umsetzung der vielen Schritte und Vorhaben in allen „Ecken“ der Verwaltung weder finanzierbar noch sinnvoll wäre.
Viel sinnvoller ist es, diejenigen, die sich mit den Verwaltungsaufgaben und -prozessen auskennen, mit den zusätzlich notwendigen Fach- und Methodenkompetenzen auszustatten – eine Investition, die ziemlich sicher nicht nur für das aktuell konkret angepeilte Vorhaben lohnt, sondern auch für viele andere Themen und Projekte der Zukunft.
Dem „Pionier“ unter unseren Interviewpartner:innen wurde das bereits vor fast zwei Jahrzehnten klar:
Stadt Willich: Interne Moderator:innen für die Verwaltungsreform
In Willich war Mitte der 90er Jahre mit externer Beratung die Verwaltung einmal „durchgebürstet“ worden: Hierarchieebenen wurden drastisch zusammengestrichen, viele Fachbereiche zu wenigen Geschäftsbereichen zusammengefasst, die Arbeit konsequent in Teams organisiert, neue Arbeitsweisen gesetzt, z.B. konsequentes Projekt- und Prozessmanagement in allen Arbeitsfeldern.
Als nach diesem durchaus erfrischenden Wirbel die externen Berater:innen mit ihrem Lieblings-Impuls „… und jetzt: konkret!“ auf den Lippen die Verwaltung verließen, war allerdings genau das die Frage: „Und wie stemmen wir jetzt die Umsetzung all dieser Reformvorhaben ganz konkret??“ So wurde ein Team interner Moderator:innen gebildet und damit beauftragt, für eine systematische Arbeitsweise bei allen Reformprojekten zu sorgen, Workshops zu moderieren, die Einhaltung der Verabredungen im Blick zu behalten u.v.m.
Qualifizierung und Einsatz des Teams starteten 1997/1998.Unser Gesprächspartner: Bernd Hitschler, Stadt Willich
Er gehörte damals zum Team der internen Moderator:innen und ist bis heute bei der Stadt Willich tätig – als langjähriger Geschäftsbereichsleiter Schule, Sport, Kultur.
Mit der Grundentscheidung für ein internes Unterstützungsteam wurde in Willich – wie auch in allen anderen Kommunen, die sich seitdem auf den Weg machten – schnell klar: Für solche neuen Rollen braucht es ein Konzept und eine Vorbereitung für die Mitarbeiter:innen, die diese Rolle übernehmen.
Die Vielfalt der internen Unterstützungs-Rollen
Entsprechend den vielfältigen Anlässen und Vorhaben werden in den Verwaltungen unterschiedlich akzentuierte Unterstützungsrollen gebraucht und entsprechend konzipiert. Abb. 2 zeigt die derzeit üblichsten internen Unterstützungs-Rollen.
Ausprägungen der internen Unterstützungsrollen
Schauen wir uns nun die Rollenausgestaltung genauer an. Die wesentlichen Dimensionen haben wir im folgenden Schaubild kompakt zusammengefasst. Die „Schieberegler“ deuten beispielhaft an, für welche unterschiedlichen Ausprägungen man sich entscheiden kann.
Aufgaben-Schwerpunkte
Die Bezeichnung der Unterstützungs-Rolle verweist i.d.R. schon auf den jeweiligen Auftragsschwerpunkt:
Digitalisierung umsetzen
Digital-Lots:innen – im Alltag oft kurz „Digi-Lots:innen“ genannt – unterstützen Digitalisierungsvorhaben im ganzen Haus (Beispiel: Stadt Moers – mehr dazu in diesem Beitrag). In vielen Verwaltungen gibt es dezentrale Digital-Lots:innen in den Fachbereichen, sie sorgen mit kollegialer Hilfestellung dafür, dass die Digitalisierung in allen Arbeitsfeldern gelingt und auch weniger digital-affine Kolleg:innen auf diesem Weg gut mitgenommen werden. Einige, meist größere Verwaltungen bilden auch zentrale Teams, die dieser Aufgabe mit ihrer kompletten Arbeitszeit nachgehen. Sie begleiten Fachbereiche dann oft bei den umfassenden, hausweiten Digital-Themen, z.B. Einführung eines Dokumentenmanagementsystems.
Auch dezentrale Lots:innen arbeiten i.d.R. kollegial zusammen und unterstützen sich gegenseitig (s.u.: Abschnitt „Vernetzung“).
Agile Arbeitsmethoden etablieren
Agile Lots:innen machen agile Arbeitsmethoden im Haus bekannt und vermitteln eine agile Haltung, die auch die Verwaltungskultur insgesamt verändern soll. Zufriedenheit bei Mitarbeitenden wie bei Bürger:innen und mehr Effektivität der Arbeitsprozesse sind die Ziele. Die Agilen Lots:innen helfen bei der Einführung, Erprobung und Reflexion der Erfahrungen mit der agilen Arbeitsweise.
Die Rollen „Digital-Lots:in“ und „Agile Lots:in“ sind inzwischen in so vielen Verwaltungen etabliert, dass ich an dieser Stelle darauf verzichte, einzelne Verwaltungen als Beispiel zu benennen – stellvertretend hat die Stadt Moers ihre Erfahrungen in diesen Blogbeitrag eingebracht.
Change Management unterstützen
Reformen der Verwaltungsstruktur (kleine Fachbereiche zu großen Bereichen zusammenführen, Hierarchieebenen reduzieren, teambasierte Arbeitsweise verankern) wie auch gezielt initiierte Veränderungen der Verwaltungskultur wirbeln ein ganzes Haus um – da braucht es eine gute Steuerung des Gesamtprozesses und bei der Umsetzung in den Fachbereichen. Interne Moderator:innen (Beispiel: Stadt Willich) oder Wandelgestaltende (Beispiel: Stadt Bochum – beide in diesem Beitrag) unterstützen als wichtige Multiplikator:innen einzelne Abteilungen oder Teams bei der Umstellung von Arbeitsweisen, beim nun geforderten Einsatz neuer Instrumente und Methoden, und manchmal auch bei der Reflexion, was diese Veränderung für die Kolleg:innen bedeutet und ihnen abverlangt.
Systematisches Projektmanagement etablieren
Projekte erfordern bereichsübergreifende Zusammenarbeit – und deshalb ist es enorm hilfreich, wenn in einer Verwaltung Projektarbeit hinsichtlich der Strukturierung wie der eingesetzten Methoden und Tools in grundsätzlich einheitlicher Weise erfolgt. Zudem ist es sinnvoll, gerade projektunerfahrene Bereiche professionell zu unterstützen. Und ebenso, hoch komplexen, hausweiten Projekten Sicherheit durch die Unterstützung eines zentralen Projektbüros zu geben.
Ein Projektbüro definiert sich i.d.R. ausdrücklich als Unterstützer:in und übernimmt keine Projektleitung (vgl. z.B. unsere Blogbeiträge zum Projektbüro Bremen und zur Projektwerkstatt von IT.NRW).
Innovation fördern
Weil allen Vorurteilen zum Trotz „Verwaltung“ und „Innovation“ doch zusammenpassen und zusammengehören, unterstützen in einer Reihe von Verwaltungen inzwischen „Innovations-Teams“ mit diversen kreativen Methoden und systematischem Vorgehen (z. B. Service Design) Fachbereiche darin, für ihre jeweils spezifischen Aufgaben neue Wege zu finden. Vor allem die Kundenorientierung steht dabei im Mittelpunkt.
Um das „out of the box“-Denken zu fördern, laden die Innovationsteams die Teilnehmer:innen der Workshops oft in eine ungewöhnliche, kreativ-anregende Umgebung ein („Kreativwerkstatt“ o.ä.).
(vgl. z.B. unsere Blogbeiträge zum Digital Innovation Team im BMI, zum GovLab Arnsberg oder auch die Erfahrungen des Innovationsbüros Köln)
Die hier getrennt nacheinander vorgestellten Aufgabenbereiche sind in der Realität nicht so trennscharf – auch die Begleitung von Digitalisierung und Einführung agiler Arbeitsweisen fordert Veränderungsbereitschaft von den Mitarbeitenden, was sich auch auf die Arbeit der internen Unterstützer:innen niederschlägt. Umgekehrt gehen Strukturveränderungen auch mit Veränderungen individueller und kooperativer Arbeitsweisen einher – agiles Arbeiten ist fast immer ein Schlüssel dafür. So gehen in der Praxis die Aufgabenbereiche ineinander über, und das Aufgabenspektrum erweitert sich – auch mit wachsender Erfahrung.
Stadt Bochum: Wandelgestaltende begleiten Teams
Zunächst hatten die Wandelgestaltenden einen eng fokussierten Auftrag: In „Kompass-Workshops“ begleiteten sie Teams, sich mit der Bochum-Strategie und den darin formulierten Ansprüchen an das Verwaltungshandeln auseinanderzusetzen.
Der Name der Rolle ist sicher ungewöhnlich – aber er hat geholfen, das Selbstverständnis schon im Namen mitzutransportieren und die Richtung der Workshops zu charakterisieren.
Mit einer gemeinsamen Qualifizierungsreihe ab Ende 2020 bereiteten sich die Wandelgestaltenden auf ihren Einsatz vor.
Das Team der Wandelgestaltenden gibt es immer noch, es soll aber ergänzt werden durch dezentrale Lots:innen für Veränderung (mehr dazu im Abschnitt „Mit Veränderungen rechnen“).Unsere Gesprächspartner:innen:
Merle May, Personalentwicklerin, und Jasmin Wiemers-Krüger aus dem zentralen Wandel-Team.
Sie haben Konzeption und Qualifizierung der Wandelgestaltenden initiiert und in kontinuierlicher Zusammenarbeit auch den Wandel dieser Rolle mitbegleitet und mitgestaltet.
Es ist hilfreich, wenn im Rahmen der Konzeption nicht nur die Aufgaben definiert werden, die zu leisten sind, sondern auch noch das Selbstverständnis der Unterstützer:innen und ihre Vorgehensweisen beschrieben wird. Das macht die Rolle anschaulicher
- für die, die die Rolle übernehmen („Wer bin ich für die anderen? Wie stehe ich im Rollengefüge? Wie arbeite ich?“); diese Klärung kann auch die Entscheidung erleichtern, solch eine Funktion zu übernehmen („Wäre das mein Ding?“).
- wie auch für die, die mit ihr zusammenarbeiten („Was kann ich sie/ihn fragen? Was kann ich von ihm/ihr erwarten?“).
Da, wo eine Rolle ganz neu eingeführt wird, haben wir es auch als sinnvoll erlebt, die Rollenklärung (Aufgaben – Selbstverständnis – Vorgehen) in die Qualifizierung einzubinden und gemeinsam mit denen zu entwickeln, die diese Rolle ausfüllen werden.
Und noch besser ist es selbstverständlich, wenn auch die potenziell Nutzenden, z.B. Führungskräfte aus allen Fachbereichen, in die Rollenklärung einbezogen werden.
Rollenklärungen, die dann auch grafisch aufbereitet werden (ein Beispiel in Abb. 4), helfen nicht nur den internen Unterstützer:innen selbst, sondern auch bei der Kommunikation ins Haus hinein.
Was wir für wichtig halten: Verschwenden Sie keine Energie in eine akribisch ausformulierte Dienstanweisung vorab. Klären Sie vor dem Start Grundlagen – aber lassen Sie noch Spielraum für den Lauf der Entwicklung und für Ergebnisse erster konkreter Erfahrungen. So mancher Weg entsteht erst beim Gehen, sagt ein Sprichwort.
Als hilfreich hat sich auch erwiesen, zu fassen, was nicht zu den Aufgaben gehört – z.B. die Aufgaben, die nach wie vor bei den Führungskräften angesiedelt sind. Die sich natürlich die Unterstützung und Beratung durch die Lots:innen heranziehen können – aber in der Verantwortung bleiben.
Arbeitsweise
Sehr viele Aktivitäten interner Unterstützer:innen finden im Rahmen der alltäglichen Zusammenarbeit statt. Zum Beispiel, wenn Digitale Lots:innen ihren Kolleg:innen Fragen zur Anwendung des neuen DMS-Systems beantworten. Manches aber bekommt auch ein besonderes Setting. Zum Beispiel die Moderation eines Workshops mit einem Team, das neue Arbeitsweisen erproben möchte. Oder die Präsentation geplanter Neuerungen in einer Abteilungskonferenz.
Und so kommen neben dem kollegialen Erklären und Austauschen andere Anforderungen und Arbeitsweisen hinzu: komplexe Sachverhalte strukturiert vermitteln, Workshops moderieren, Teams oder Projektgruppen coachen, …
Für viele Verwaltungsmitarbeitende ist derlei neu, aber auch durchaus etwas, was den Reiz der neuen Rollen ausmacht. Klar: Die entsprechende Qualifizierung dafür muss mitgedacht werden. Mitunter ist auch die Frage sinnvoll, ob bestimmte Erfahrungen schon als notwendige Voraussetzung erwartet werden.
Organisatorische Verankerung
Die (Arbeits-)Stellen, an die die Unterstützungsrollen gekoppelt sind, können sich an ganz unterschiedlichen Orten in der Organisation befinden:
- zentral in einem Querschnittsbereich (z.B. in einem Digitalisierungsbereich oder einem Projektmanagement-Büro)
- auf Ebene eines Dezernats oder Fachbereichs (z.B. innerhalb eines Stabs)
- dezentral in einem Team, wo ein Teammitglied Veränderungen im eigenen Arbeitsbereich unterstützt (meist neben seinen sonstigen fachlichen Aufgaben).
So oder so braucht es darüber hinaus eine zentrale Einheit für die übergreifende Koordination und Steuerung der „Rollen-Inhaber:innen“, also der Mitarbeitenden, die einen der oben beschriebenen Lotsendienste oder der anderen Unterstützungsdienste übernommen haben.
Wo wiederum diese koordinierende Stelle angesiedelt ist, steht sinnvollerweise im Zusammenhang mit dem Aufgabenschwerpunkt der Unterstützer:innen: Digital-Lots:innen sind oft der Stabsstelle Digitalisierung oder dem entsprechenden Fachbereich zugeordnet, Agile Lots:innen eher dem Bereich Personalentwicklung oder einem Fachbereich für Innovation.
Aufgabe dieser koordinierenden Stelle ist es, die neue Rolle zu definieren, ggf. weiterzuentwickeln, sowie deren Qualifizierung wie auch die Prozesse rund um die konkrete Aufgabenwahrnehmung zu gestalten; vor allem aber fungiert sie als „Nabe“, die Unterstützer:innen als Gruppe zu koordinieren und ihre Zusammenarbeit zu fördern (z.B. durch Koordination und Moderation der Jours fixes und des gezielten Erfahrungsaustauschs).
Diese steuernde und koordinierende Stelle ist auch das kommunikative Scharnier für die Gruppe der „Lots:innen“, Moderator:innen, … , sie sollte Zugänge zu Kommunikations- und Einflusskanälen im Haus ermöglichen. Das heißt: Ihre Aufgabe ist ausdrücklich, für diese Rolle relevante Informationen aus der Verwaltungsspitze, dem Führungskräftekreis o.ä. in die Gruppe der Unterstützer:innen hineinzuvermitteln, wie auch umgekehrt: als Sprachrohr Anliegen und Rückmeldungen der Unterstützer:innen-Gruppe in die relevanten Austausch- und Entscheidungsgremien der Verwaltung einzuspeisen. Dazu gehört auch, einzufordern, dass die Vernetzungsaktivitäten von den Führungskräften im Haus unterstützt werden.
Auswahl der zukünftigen internen Unterstützer:innen
Dass die Auswahl der internen Unterstützer:innen in so mancher Verwaltung ein heikler Punkt ist, liegt an einem Dilemma: Die zentralen Dienste suchen für die neuen Rollen besonders engagierte, kompetente und veränderungsfreudige Mitarbeitende – und genau diese sind ebenso in ihren Fachbereichen gefragt. Die Führungskräfte dort bauen auf sie und geben nicht wirklich gern Arbeitszeitanteile „ins Haus“, wenn sie selbst diese tragenden Schultern ebenfalls dringend benötigen. Auch wenn ihnen „theoretisch“ klar ist, dass gute Leute für diese neuen Rollen wichtig sind.
Schauen wir uns die Auswahl-Wege an, auf die wir gestoßen sind:
Benennung durch Führungskräfte: Fachbereiche benennen jeweils eine:n Mitarbeiter:in aus ihrem Bereich. Das führt nicht immer zu einer guten Rollenbesetzung, denn – offen ausgesprochen – Führungskräfte benennen manchmal auch jemanden, den:die sie eher für zeitweise entbehrlich halten.
Dialogisch: Die Stelle, die mit den zukünftigen Unterstützer:innen arbeitet (z.B. eine Stabsstelle Digitalisierung), spricht mit allen Fachbereichsleitungen darüber, wen diese delegieren wollen, und bringt auch ein, welche:n Wunschkandidat:in sie selbst im Blick ist. Eher ein Weg für nicht allzu große Verwaltungen, in denen Mitarbeitende oft gegenseitig bekannt sind. Im besten Fall kann es dann zu einem Aushandlungsprozess im beiderseitigen Interesse kommen. Aufpassen: Die Mitarbeitenden wollen natürlich auch gefragt werden – am liebsten schon vorab von ihrer Führungskraft.
Interne Bewerbung – Auswahlverfahren: Mitarbeiter:innen können sich bewerben, wenn sie sich für die neue Rolle geeignet halten und Spaß an dieser Kompetenz- und Erfahrungserweiterung haben. Die Bewerbung ist aber daran gekoppelt, dass die jeweilige Führungskraft zustimmt – im Einzelfall kann sie ein (natürlich gut begründetes) Veto einlegen. Die Bewerber:innen-Auswahl im engeren Sinne übernimmt dann die Stelle, bei der die neue Rolle angedockt ist (z.B. Personalentwicklung oder Stabsstelle Digitalisierung). Ein etwas ungewöhnlicher Weg für interne Sonderrollen, aber auch ein guter Indikator für die individuelle Motivation.
Stellenausschreibung (intern und extern) und Auswahlverfahren wie bei anderen Stellenbesetzungen im Haus: Dieses Auswahlverfahren ist vor allem bei „Vollzeit-Stellen“ Praxis.
Was hilft:
- Das notwendige Anforderungsprofil für die Unterstützungsrolle gut begründet ins Haus vermitteln.
- Vorab nachdenken: Ist für die geplante Rolle eine breite Verankerung (z.B. „je 1 aus jedem Fachbereich“) unbedingt notwendig? Oder wäre es auch möglich, dass aus einem Fachbereich mehrere Mitarbeitende die neue Rolle übernehmen, aus anderen Fachbereichen aber ggf. auch niemand?
- Das oben beschriebene Dilemma („Gute Leute werden überall gebraucht“) offen ansprechen und einen guten gemeinsamen Weg mit den Führungskräften aushandeln.
- Niemals Mitarbeitende gegen ihren Wunsch für eine solche Unterstützungsrolle delegieren. Im Gegenteil: Möglichst auch beim Verfahren „Führungskraft benennt Mitarbeiter:in aus dem eigenen Bereich“ hausweit dazu ermutigen, dass Mitarbeitende nicht warten müssen, bis sie angesprochen werden, sondern auch von sich aus auf ihre Führungskraft zugehen können: „Ich hab Interesse daran!“
- Sich gemeinsam bewusst machen: Mit der Bereitstellung einer kompetenten Person geht nicht nur Arbeitszeit im Fachbereich verloren, sondern der Fachbereich gewinnt auch zusätzliche Qualifikationen und Unterstützung durch Vernetzung (s.u.).
Qualifizierung
Als vor einigen Jahren die ersten Digital-Lots:innen etabliert wurden, wurden sie oft sehr kompakt qualifiziert: So startete z.B. das Land Baden-Württemberg ein flächendeckendes Programm mit einer dreitägigen Basisqualifizierung. Das Ziel: Möglichst viele Verwaltungen „grundausstatten“. Dass solch eine „Druckbetankung“ nicht ausreicht, wurde bald erkannt – eine Reihe von Aufbaumodulen ergänzte deshalb fortan den Startblock.
Allmählich setzte sich die Erkenntnis durch, dass Digital-Lots:innen keinesfalls nur das OZG und E-Government-Felder kennen müssen, sondern auch weitere methodische Qualifikationen benötigen, wenn sie Kolleg:innen diese neuen Inhalte vermitteln, sie für Digitalisierung gewinnen und die Digitalisierung von Verwaltungsprozessen auch in der laufenden und oft „kniffligen“ Umsetzung unterstützen sollen.
Genau aus dieser Überzeugung heraus etablierte die Stadt Moers eine breit angelegte Qualifizierung und Unterstützung für die zukünftigen „Digital-Lots:innen“ im eigenen Haus.
Stadt Moers: Digital-Lots:innen als dezentrales Netz im Einsatz
2021 ging’s los mit der Konzeptentwicklung: Was brauchen Digital-Lots:innen, um ihre wichtige Funktion als „Tür zur Veränderung in den Fachbereichen“ (Stephan Bernoth) gut wahrnehmen zu können – welche fachlichen und welche methodischen und sozialen Kompetenzen muss eine Qualifizierung vermitteln und einüben?
Dass das teilweise auch allgemeine, nicht digitalspezifische Kompetenzen betrifft, löste zunächst an mancher Stelle Verwunderung aus, wurde aber von der Stabsstelle Digitalisierung nachdrücklich vertreten.
2022/23 nahmen 34 Lots:innen an der Qualifizierung teil – für eine intensivere Arbeit in Halbgruppen aufgeteilt, aber immer in wechselnden Kombinationen. Denn die Idee war von Beginn an: Alle Digital-Lots:innen sollen auch über die Qualifizierung hinaus als Netzwerk zusammenarbeiten.
Nicht zuletzt weil sich die Gruppe durch unterschiedliche Berufswege verkleinert hat, wird 2025/26 ein weiteres Qualifizierungsprogramm starten – aufgrund der Erfahrungen im ersten Durchlauf leicht modifiziert, aber genauso breit angelegt wie der erste Durchgang.
Unser Gesprächspartner:
Stephan Bernoth,
Leiter der Stabsstelle Digitalisierung /
CDO bei Stadt Moers
Diese breite Qualifizierung hinsichtlich fachlicher Themen (WAS) wie auch methodischer und kommunikativer Schlüsselqualifikationen (WIE) wie Informieren, Moderieren, … ist noch zentraler für interne „Change Agents“ – also z.B. die hier vorgestellten „Wandelgestalter:innen“ der Stadt Bochum oder die „Internen Moderator:innen“ der Stadt Willich.
Denn sie müssen nicht nur Sachinhalte vermitteln, sondern Teams von der Notwendigkeit von Veränderungen überzeugen – und unter Umständen mit Widerständen umgehen. Die Unterstützer:innen müssen also auch darin gestärkt werden, mit sozialer Dynamik umzugehen.
Die Qualifizierung für die internen Unterstützer:innen sollte – darin sind sich die meisten inzwischen einig – nach einem Basispaket in eine kontinuierliche Weiterqualifizierung münden. Die umfasst neben thematischen Modulen als ganz besonders wichtig die gegenseitige kollegiale Beratung und Qualifizierung im Team der Lots:innen, Change Agents usw. (s.u.: Vernetzung).„Nach der ersten Qualifizierungsreihe haben die internen Wandelgestaltenden sich in einer nächsten Workshop-Staffel auch zu agilen und kreativen Methoden weitergebildet“, berichtet Merle May, Personalentwicklerin aus Bochum. Ihr Fazit: „Es ist gut, auf so weiterbildungsfreudige interne Unterstützer:innen zurückgreifen zu können.“
Dass eine solche Qualifizierung nicht nur Geld kostet, sondern auch eine deutliche Zeitinvestition fordert, sei klar. „Aber die lohnt! Wir haben zum Beispiel in der Startphase auch zugelassen, dass Team-Workshops nicht wie geplant durch eine Person, sondern zu zweit moderiert werden können“, erinnert sich Merle May. „Weil wir merkten, dass die Wandelgestaltenden dadurch sehr schnell an Sicherheit gewannen und enorm davon profitierten, die gemeinsamen Erfahrungen zu reflektieren und flexible Handlungsoptionen zu entwickeln.“
Verfügbare Arbeitszeit für die Unterstützungsrolle
Neben der Auswahl der Mitarbeiter:innen scheinen aus unserer Sicht die „Arbeitszeit-Anteile“ das zweit-heikelste Thema zu sein. Zu finden sind sehr unterschiedliche Konstruktionen:
- Ad hoc – Einsätze, kein definiertes Zeitkontingent – die Aufgaben sollen in den Alltag integriert oder nach Bedarf und Abstimmung mit der Führungskraft übernommen werden.
- Ein bestimmter Stunden- oder Prozentual-Anteil bezogen auf eine Vollzeit-Stelle (z.B. 5 oder 10 %).
- Eine Zahl von Tagen pro Jahr, die für Einsätze in der Unterstützer:innen-Rolle zur Verfügung stehen.-
- Vollzeit-Rolle (eher die Ausnahme – z.B. in einem internen Projekt-Büro oder einem Innovationsbüro)
Es ist in der Tat oft nicht leicht, die Arbeit als „interne:r Unterstützer:in“ von auch sonst üblicher kollegialer Unterstützung zu unterscheiden. Die Erfahrung lehrt jedoch, dass Mitarbeitende, die nun auch offiziell „Lots:innen“ o.ä. sind, noch öfter angesprochen werden und sich diesen Anfragen und Bitten noch weniger entziehen können und auch nicht wollen. Aber: Ihre eigentlichen Sachaufgaben bleiben zunächst liegen und müssen dann im Anschluss auch noch erledigt werden. Es drohen Überbeanspruchung und Erschöpfung und damit auch eine Diskreditierung der eigentlich positive Unterstützer-Rolle. Und nicht zu vergessen: Die heimliche Aussage, wenn kein definiertes Zeitkontingent angesetzt wird, lautet: „Der:die Mitarbeiter:in war bisher nicht ganz ausgelastet.“ oder „So wichtig ist die Rolle im Zweifel dann doch nicht…“.
Eine Verwaltung startete in die Lotsen-Zeit mit der Maßgabe: Wir wissen, dass der Lotsen-Dienst Zeit kostet – aber wir wissen noch nicht, wie viel das sein wird. Bevor wir uns jetzt in theoretischen Diskussionen zwischen Zentralen Diensten, Personalrat und Digitalisierungsstelle festfahren, machen wir eine Zeitlang Erfahrungen und finden dann eine Lösung. Vielleicht auch ein gangbarer Weg?
Ich kenne keine Lots:innen, die pingelig auf die Uhr schauen – weil sie in der Sache überaus engagiert sind. Aber es gibt Lots:innen, die sich nicht respektiert fühlen, wenn dauerhafte Überbelastung quasi selbstverständlich vorausgesetzt wird. Trotzdem scheint die Konstruktion „ohne Zeitkontingent“ manchmal zu passen – weil dann vielleicht auch weniger Erwartungen an die betreffenden Mitarbeitenden gestellt werden? Könnte das aber nicht auch eine „Unternutzung“ der vermittelten Qualifikationen darstellen?
Eine andere Erklärung hat Stephan Bernoth aufgrund seiner Erfahrung in Moers, wo sich gerade die Mehrheit der 10 Fachbereichsleitungen gegen fest bemessene Stellenanteile entschieden hat: „Es hängt an der Zusammenarbeit zwischen Führungskraft und Digital-Lots:in. Wenn die Absprachen gut sind, funktioniert’s.“
Beauftragung
Für viele der alltagsnahen Unterstützungsleistungen bei Routineabläufen im eigenen Arbeits- oder Fachbereich stellt sich die Frage einer expliziten „Beauftragung“ kaum. Bei den Rollen, die gezielt für besondere Aktivitäten angefragt werden – z.B. Veränderungsvorhaben anstoßen, Teamworkshops moderieren, Projekte begleiten – aber schon: Wie kommen Nachfrage und Angebot zusammen? Wie kommt ein Auftrag zur „richtigen“, also geeigneten und passenden Person?
Drei Beispiele für mögliche Lösungen:
- In der Stadt Bochum hat jede:r Wandelgestaltende:r ein kleines Porträt erstellt, das im Intranet veröffentlicht ist. Teams, die gern bei einem Teamworkshop unterstützt werden wollen, können sich bei der Person melden, die sie als passend für ihr Team erleben. Als Regel gilt dabei: Nicht aus dem eigenen Fachbereich.
- In der Stadt Dortmund nimmt eine zentrale Personaleinheit alle Anfragen an agile Lots:innen entgegen und sorgt für ein gutes Matching von Team und Lots:in.
- Im Projektbüro Bremen werden Anfragen an das Team gerichtet, und das Team verteilt untereinander je nach aktueller Auslastung den Einsatz für die neuen Anfragen.
Auch Führungskräfte tun gut daran, mit den Lots:innen für all deren kleinere oder größere Aufgaben in ihrem Bereich klare Absprachen zu treffen, das wäre ja auch eine Art „Beauftragung“. Hier können beide gemeinsam klären, wer was von wem erwartet oder wie sich die interne Unterstützung in den Gesamtrahmen einbettet – z.B. bei Digitalisierungs- oder anderen Veränderungsvorhaben. Deren Gesamt-Steuerung liegt natürlich weiterhin in der Verantwortung der Führungskräfte.
Weil Stephan Bernoth in Moers die Erfahrung gemacht hat, dass längst nicht alle Führungskräfte „ihre:n“ Digital-Lots:in im Alltag regelmäßig anfragen, will er im nächsten Qualifizierungsdurchgang die Führungskräfte noch mehr unterstützen: „Es wird einen Workshop für Führungskräfte geben, in dem die Rolle der Digital-Lots:innen gemeinsam geklärt wird – analog zur Rollenklärung der Digital-Lots:innen selbst; im Anschluss dann eine Abstimmung der gegenseitigen Erwartungen. Auf dieser Basis können die Digital-Lots:innen dann sicher gewinnbringend für den jeweiligen Fachbereich eingesetzt werden.“
Die Erfahrung zeigt: Interne Unterstützer:innen können besser und gezielter unterstützen, wenn sie durch den Dialog mit den Führungskräften den Veränderungskontext gut kennen und klarer darin eingebunden sind.
Unbedingt hilfreich ist es auch, wenn ein großes Veränderungsvorhaben sehr gut im ganzen Haus verankert ist: „Wir hatten und haben die Bochum-Strategie als Rahmen. Wir denken und handeln strategisch – auch mit dem Team der Wandelgestaltenden“, stellt Jasmin Wiemers-Krüger heraus. „Und in diesen bei allen im Haus präsenten Rahmen konnten sich auch die Wandelgestaltenden stellen – es war klar, wozu sie da sind und wobei sie mitwirken. Das hat uns ganz viel Begründungsaufwand für die Rolle erspart. Es war einfach klar.“
Verbundenheit – Vernetzung
Was allen internen Unterstützer:innen unabhängig von ihrem fachlichen Schwerpunkt gemeinsam ist: Sie helfen bei Veränderungsprozessen. Das erfordert von den Kolleg:innen, die sie unterstützen, aber auch von ihnen selbst Veränderungen in Einstellungen, Know-how, Arbeitsweisen, Zusammenarbeit, …
Zugleich ändert sich damit zwangsläufig auch die Rolle der Unterstützer:innen – sie bleibt nicht für lange Zeit dieselbe. Wenn die internen Unterstützer:innen erfolgreich gearbeitet haben, ist die Veränderung im Laufe der Zeit im ganzen Haus selbstverständlich verankert, und sie können sich auf neue Themen und vielleicht neue Arbeitsweisen und Unterstützungsformen orientieren. Für interne Unterstützer:innen ist also eine „volatile Umgebung“ schon lange eine Selbstverständlichkeit 😊. Um damit gut umgehen zu können, ist die regelmäßige gemeinsame Reflexion dieser Veränderungen hilfreich.
Eine vernetzte Kooperation unter allen Rolleninhaber:innen ist deshalb das Gebot der Stunde, …
… um in die zuvor unbekannte Rolle hineinzuwachsen;
… um Erfahrungen auszutauschen und gegenseitig davon zu profitieren;
… um sich zu konkreten schwierigen Situationen kollegial zu beraten – das fördert Aha-Erlebnisse erfahrungsgemäß nicht nur für die ratsuchenden, sondern auch die ratgebenden Kolleg:innen;
… um miteinander zu reflektieren und Weiterentwicklung voranzutreiben: Werden wir noch gebraucht mit dem, was ursprünglich unser Auftrag war? Oder müssen wir inzwischen eher andere Themen und Prozesse unterstützen?
Nicht nur ich, sondern vermutlich auch viele von Ihnen hören innerlich so manche Führungskraft aufstöhnen: Ist das wirklich nötig? Dann ist mein:e Lots:in ja noch weitere x Stunden „weg“! Ja, es ist nötig. Weil er:sie nicht einfach weg ist, sondern lernt, das Gelernte mitbringt und nicht jeden Fehler noch einmal selbst machen muss. Das, was solche Kooperation bringt und an Umwegen spart, ist leider nicht immer genauso gut sichtbar …
Ein weiterer Profit kontinuierlicher, gut gefüllter und gestalteter (!) Jours fixes oder Teamtreffen: Die breite Vernetzung von Lots:innen und Moderator:innen im Haus hilft auch bei so mancher anderen fachlichen Aufgabe!
Damit die gegenseitige Unterstützung nicht nur bei den Jours fixes alle 4 oder 6 Wochen gelingt, hat die Stadt Moers eine Online-Community für die Digital-Lots:innen eingerichtet: Zum Austausch von Dokumenten, für schnelle Fragen mit der Chance auf schnelle Antworten, für Hinweise auf interessante Quellen im Netz, auf Erfahrungen aus anderen Verwaltungen usw.
Stephan Bernoth möchte in Moers die Digitallotsen zukünftig noch unmittelbarer in die Digitalisierungsplanung einbeziehen: „Das OZG-Änderungsgesetz gibt uns mehr Spielraum, wir können selbst Prioritäten setzen, schauen, wo die größte Relevanz für unsere Kund:innen liegt. Das soll auch in der Lots:innen-Runde Thema werden.“
Weitere Erfahrungen aus dem Einsatz interner Unterstützer:innen
Anforderungen an interne Unterstützer:innen
Aus der Aufgabenstellung und den geforderten Arbeitsweisen ergeben sich durchaus anspruchsvolle Anforderungen an die internen Unterstützer:innen. Sie müssen neben Grundlagen fachlicher Kompetenz (entsprechend ihrem Auftragsfeld) auch über gewisse methodische, soziale und persönliche Kompetenzen verfügen: Prozess- und Projektmanagement (je nach Rolle von Grundlagen bis zu vielfältiger Erfahrung), strukturiert arbeiten können, aber auch über einen guten Sockel an Kommunikationsgeschick, Moderation, Neugier auf Neues, Reflexionsbereitschaft, Bereitschaft zu Austausch und Zusammenarbeit verfügen.
Aber stellen Sie keine überhöhten Ansprüche: Was sind die notwendigen Voraussetzungen, um die Rolle gut – nicht: perfekt – ausfüllen zu können? Externe Fachkräfte oder Berater:innen mögen in manchen Bereichen spezialisierter sein. Der Vorteil der internen Unterstützer:innen liegt jedoch in ihrer Vertrautheit mit der Organisation: Sie kennen nicht nur die offizielle Struktur, sondern auch das informelle Beziehungs- und Machtgeflecht. Sie können zudem auf kollegialer Ebene manches leichter ansprechen und Kolleg:innen für Vorhaben gewinnen. Und mit zunehmender Erfahrung erweitern sie stetig ihre Kompetenzen.
„Es hat sich gelohnt, Leute ins Team der internen Wandelgestaltenden zu holen, die noch nicht über explizite Moderationserfahrung verfügten, aber – wie man in Bochum sagt – richtig „Bock drauf hatten“, Veränderung in der Verwaltung zu unterstützen“, diese Bochumer Erfahrung gibt Jasmin Wiemers-Krüger mit auf den Weg. „Sie brauchen noch eine gute Qualifizierung, klar, aber sie nutzen engagiert ihre Chance!“
Ähnlich sieht das Stephan Bernoth für die Digitallots:innen in Moers. „Intrinsische Motivation ist das Wichtigste, das trägt!“ Zugleich weist er darauf hin, wie wichtig die Rückendeckung durch die Führungskräfte ist. Um diese zu fördern, sind oft auch Gespräche der koordinierenden Stelle (PE, Stabsstelle Digitalisierung, …) mit den Führungskräften notwendig. Ebenso wichtig ist das Engagement der Verwaltungsspitze gegenüber den Führungskräften: „Für diese besonderen Aufgaben brauchen wir Mitarbeitende, die Kompetenzen und Engagement mitbringen. Ermutigen Sie jene, die sich hier einbringen möchten, und geben Sie ihnen den nötigen Freiraum.“
Man sollte auch Schattenseiten nicht verschweigen: Nicht alle, die für eine Unterstützungsrolle ausgewählt wurden und an der Qualifizierung teilnahmen, sind hochengagiert und mit wehenden Fahnen unterwegs. Es gibt auch Kolleg:innen, die merken, dass ihre Lust nicht reicht oder die Rolle doch nicht zu ihnen passt. Und manche wussten das von Anfang an – wenn sie von ihrer Führungskraft „entsendet“ wurden, ohne dass diese mit ihnen ein echtes Gespräch dazu geführt hatte.
Ein offenes Wort ist dann gefragt. Das fällt noch leichter, wenn es „Sollbruchstellen“ gibt – definierte Zeitpunkte, zu denen ein Ausstieg gesichtswahrend möglich ist (z. B. zur Halbzeit der Qualifizierung, nach 6 Monaten im Einsatz), tun beiden Seiten gut.
Mögliche Kollisionen
In jedem Rollengefüge kann es Kollisionen geben – durch individuelles Verhalten, klar, aber durchaus auch in der Rolle angelegt, quasi „vorprogrammiert“.
Was uns immer wieder auch bei unterschiedlicher Aufgabe und Ausgestaltung der jeweiligen Rolle als Knackpunkt berichtet wird: Wenn sich „Hauptjob“ und „Sonderrolle“ gegenseitig Zeit klauen, zumal wenn hohen Erwartungen keine Ressourcen zugeordnet werden.
Eine zweite Kollisionsmöglichkeit kommt leiser daher, stiftet aber auch Ärger oder kostet Nerven: Die fehlende Verzahnung oder zumindest Abstimmung von Führungskräften mit den Unterstützer:innen. Ein regelmäßiger Austausch über Ziele und Aufgabenverteilung ist deshalb entscheidend. Er verhindert Missverständnisse wie unerwünschtes Eingreifen, Befürchtungen vor „Einmischung“ oder die Frustration der Lots:innen, dass neu erworbene Qualifikationen nicht genutzt werden. So können Führungskräfte in ihrer Verantwortung für den Gesamtprozess und Lots:innen, Wandelgestaltende usw. mit ihrer Unterstützungsbereitschaft sehr gut Hand-in-Hand arbeiten.
Sehr hilfreich ist es, wenn eine neue Unterstützer:innen-Rolle auch frühzeitig Thema in der gemeinsamen Führungskräfte-Runde ist. Hier können Fragen wie „Welche Funktion hat diese Rolle eigentlich genau – und welche nicht?“, „Wer gibt den Anstoß – und wie arbeiten Führungskraft und Lots:in zusammen?“ und ggf. auch mögliche Tücken schon mal vorab besprochen werden. Dann erwischen sie die Beteiligten zumindest nicht mehr „kalt von hinten“.
Stephan Bernoth sieht die allgemeine Verwaltungskultur als entscheidend: „Wie haben wir gelernt (oder noch nicht), mit Veränderungen umzugehen – und dabei zu kooperieren?“
Wenn Lust auf mehr entsteht…
Gut und vielfältig qualifizierte Lots:innen empfehlen sich für Führungsrollen – und bekommen nicht selten durch ihren Einsatz auch zunehmend Lust darauf, mit noch mehr Einfluss Verwaltungshandeln anders zu gestalten. Rechnen Sie lieber damit, als dass Sie überrascht und enttäuscht sind, wenn erfolgreiche Lots:innen sich innerhalb Ihrer Verwaltung nach Aufstiegschancen umschauen, möglicherweise aber auch in den Nachbarverwaltungen.
Das kennen viele von Ihnen auch bei Fachkräften – insbesondere, wenn Ihre Verwaltung zu den kleineren zählt und attraktive Großstadt- oder Kreisverwaltungen in der Nähe erreichbar sind.
Aber Sie ernten vielleicht auch etwas: einen guten Ruf, dass Sie fähige Mitarbeitende fördern, und ggf. eine gute neue Kooperationsbeziehung zu einer Nachbarverwaltung. (Mit diesem Perspektivwechsel will ich keinesfalls den Verlust kleinreden, den man beim Weggang einer gut qualifizierten, engagierten und aktionsfähigen Lots:in empfindet.)
In Willich zum Beispiel haben viele der damaligen Verwaltungsreform-Moderator:innen in der Zwischenzeit Geschäftsbereichsleitungen oder andere Führungsaufgaben übernommen und konnten hier ihre reichen Erfahrungen aus der Reformzeit gut weiternutzen und einbringen.
Mit Veränderungen rechnen
„…, dass nichts bleibt, dass nichts bleibt, wie es war!“ – diese alte Liedzeile von Hannes Wader gilt nicht nur für individuelle Biografien und politische Verhältnisse, sondern auch für Rollen-Konzepte.
Es ist sinnvoll, von Zeit zu Zeit in einer Retrospektive das ursprüngliche Konzept aus der Dateiablage zu ziehen und gemeinsam noch einmal rückzuschauen: „Wie hatten wir das damals geplant – arbeiten wir eigentlich noch so oder wie weit weichen wir inzwischen davon ab?“ Und danach zu überlegen: „Wie kommen wir wieder „in die Spur“, weil wirklich etwas Wichtiges verlorengegangen ist?“ Aber genauso sinnvoll kann es sein, nach der Analyse nicht zum ursprünglich Geplanten zurückzukehren, sondern zu feiern, wie sich das Konzept in der Praxis an sich verändernde Rahmenbedingungen angepasst hat – weil die Lots:innen und Moderator:innen ihre Arbeit im Tun klug und flexibel weiterentwickelt haben.
Und manchmal kann man dann auch gemeinsam darüber schmunzeln, was man sich „damals“ so gründlich – und vielleicht ein wenig umständlich – ausgedacht hat …
In anderen Situationen können Veränderungen auch eine quasi zwangsläufige Folge erfolgreicher Arbeit als interne Unterstützer:innen sein. Der Veränderungsweg einer Organisation hört nicht auf.
Merle May schildert den aktuellen Stand der Entwicklung in Bochum: „Inzwischen sehen wir einen neuen Bedarf: Wir wollen interne Unterstützung näher an die Arbeitsprozesse bringen.“ „Die neue Rolle ‘interne Veränderungslots:innen‘ verankern wir deshalb in den Fachbereichen“, greift Jasmin Wiemers-Krüger den Ball auf. „Die Stellenanteile für jeden Fachbereich sind bereits im Haushalt berücksichtigt. Die Lots:innen sind damit enger dran, sie können so auch unmittelbarer die Führungskräfte unterstützen. Ein Beispiel: Wenn zentrale Vorhaben – wie z.B. Microsoft 365 hausweit zu etablieren – in jedem Fachbereich umgesetzt werden müssen, können die Veränderungs-Lots:innen sehr gut dabei helfen.“
Manchmal verschwindet eine Unterstützungs-Rolle auch ganz. „Als immer mehr aus unserem Moderator:innen-Team in Führungsverantwortung gingen, war es für uns nicht mehr leistbar, Workshops zu moderieren und Projekte anderer Arbeitsbereiche zu begleiten“, berichtet Bernd Hitschler. „Ein solcher Reformschwung bleibt ja auch nicht ewig erhalten, so dass auch kein „Nachwuchs“ ins Team kam. Wo nötig, griff man nun auf Externe zu.“
Persönlich bedauere er es sehr, dass es kein System aus internen Unterstützer:innen mehr gibt („Die bringen Kontinuität ins Verwaltungshandeln.“) und dass so manche der klaren und verbindlichen Arbeitsweisen, die die internen Moderator:innen im Haus verankert hatten, nicht mehr so selbstverständlich praktiziert oder weiterentwickelt werden.
„Aber in der Gesamtbilanz sehe ich ganz klar, dass diese damalige Arbeit als interne Moderator:innen nicht nur den Reformprozess stabilisiert, sondern auch uns selbst enorm weitergebracht hat in der persönlichen Entwicklung – und diese Kompetenzen bringen wir ja immerhin seit vielen Jahren auch mit unserem Führungshandeln in die Willicher Verwaltung ein“, verweist er auf den überdauernden Gewinn jenseits des ursprünglichen Auftrags.
Zum guten Schluss
So, das waren die gemeinsamen Aspekte zu internen Unterstützungs-Rollen, die wir Ihnen – über die unterschiedliche Fach-Ausrichtung der jeweiligen Rolle hinweg – aufzeigen wollten. Auf dass diese Gedanken und Überlegungen Ihnen gute Impulse geben, wenn Sie
- eine solche interne Unterstützungs-Rolle für Ihr Haus etablieren möchten;
- die Aufgaben dieser Rolle schärfen und zukünftige Rolleninhaber:innen auswählen wollen;
- Kollisionen vermeiden oder schnell wieder auflösen wollen;
- überlegen, wie Sie die internen Unterstützer:innen noch besser unterstützen können und
- wie Sie Gelassenheit entwickeln können, weil es normal ist, wenn sich die Rollen auch verändern.
Wir hoffen, es ist uns damit auch gelungen, Ihnen Argumentationshilfen für gründliches Vorbereiten und für die Investition von Zeit und Experimentierräumen zu liefern.
Für die Ausgestaltung gibt es keine Patentrezepte – aber einige grundlegende Empfehlungen und Merkpunkte haben wir auf der folgenden Abbildung zusammengefasst:
Ja, wenn man es gut machen will, kosten interne Unterstützer:innen Zeit und Geld – für ihre Qualifizierung und ihren Einsatz.
Aber es lohnt sich:
Interne Unterstützer:innen sind ein Schatz für jede Verwaltung, weil sie von innen her helfen, notwendige Veränderungen mitzutragen, zu befördern und abzusichern und dabei ihre Kolleg:innen „auf Augenhöhe“ zu gewinnen und mitzuziehen.
Und weil sie zugleich ihre erworbenen Schlüsselqualifikationen und Erfahrungen natürlich mitnehmen in ihre anderen Rollen: als Mitarbeiter:in, als Führungskraft, als Gegenüber für Bürger:innen, in der Kooperation mit anderen Verwaltungen und in der Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft.
Zum Abschluss schicke ich herzliche Grüße in alle Himmelsrichtungen – an all die agilen und digitalen Lots:innen, internen Moderator:innen, Innovationsbüros, GovLabs und und und … , deren Erfahrungen wir hier leider nicht auch noch explizit und mit O-Ton aufnehmen konnten, so gut und ideenreich auch die zahlreichen Aufgaben- und Einsatz-Varianten sind, die wir aus so vielen Gesprächen kennen.
Ich hoffe, ihr versteht – es wäre ein Buch geworden …
[1] Ich habe für diesen Blogbeitrag gern die Gelegenheit genutzt, mit Kolleg:innen wieder ins Gespräch zu kommen, mit denen ich vor einigen bzw. vor vielen Jahren Qualifizierungen für interne Unterstützer:innen gemeinsam entwickelt und durchgeführt habe. Außerdem fließen Erfahrungen und Erkenntnisse aus Gesprächen mit weiteren Kolleg:innen und aus Berichten anderer Verwaltungen ein.
Bildnachweise – Urheberschaft:
Beitragsbild und Abb. 5, 8, 9: freepik
Abb. 7, 10: Stadt Bochum
Abb. 6: synexa / Stadt Moers
Alle anderen Abbildungen: synexa
Fotos der Interviewpartner:innen: privat